Akedah

Die Akedah oder Fesselung Isaaks.

In 1. Mose 22 lesen wir von Gottes Befehl an Abraham, seinen einzigen Sohn Isaak auf einem Altar zu opfern. Gemeinsam mit Isaak geht Abraham auf die Reise zum Berg im Land Morija. Dort fesselt er seinen anscheinend klaglosen Sohn auf dem Holz und hebt das Messer, um ihn zu töten, als sei er ein Tieropfer. Doch im letzten Moment wird Abraham von einem Engel angerufen, der ihm Einhalt gebietet und ihm befiehlt, seinen Sohn nicht zu töten. In diesem Augenblick wird Abraham von Gott für seine Gehorsamsbereitschaft gelobt, die sogar bis zur Aufgabe seines Sohnes reicht. Dann schenkt Gott einen Widder zum tatsächlichen Opfer.

Im jüdischen Volksgut hat man diese Geschichte mit einer Vielzahl moralischer Anwendungen ausgeschmückt. Manchmal dient Isaak als Symbol für jüdische Märtyrer. In einem anderen Kontext benutzt man den Bericht als Beweis dafür, dass Gott kein Menschenopfer verlangt. Sogar die Stöße ins Schofar (Widderhorn) an Rosch haSchanah (jüd. Neujahrsfest) basieren angeblich auf der Akedah.
Einer der fesselndsten Kommentare zur Akedah betrachtet das Opfer als tatsächlich geschlachtet und verbrannt; genau wie Tieropfer erwirke es Sühnung für Israel.

  • Eine bemerkenswerte Überlieferung beharrte darauf, Abraham habe die Opferung Isaaks vollendet, und hinterher sei Isaak wundersam wiederbelebt worden … Laut dieser Hagadah (Legende) tötete Abraham seinen Sohn, verbrannte sein Opfer, und dessen Asche verbleibt als gespeicherter Verdienst und Sühnung für Israel in allen Generationen… 1

Diese Vorstellung scheint im Mittelalter weit verbreitet gewesen zu sein.

  • Ibn Esra zitiert (im Kommentar zu 1. Mose 22,19) auch die Meinung, Abraham habe Isaak tatsächlich getötet … und der sei dann später aus den Toten auferweckt worden. Ibn Esra lehnt dies als völligen Widerspruch zum biblischen Text ab. Shalom Spiegel hat jedoch gezeigt, dass sich derartige Sichtweisen eines großen Umlaufs erfreuten und gelegentlich in mittelalterlichen Schriften ihren Niederschlag fanden.2

Sogar in vor-mittelalterlichen rabbinischen Schriften ist schon die Vorstellung zu finden, Isaak sei als Sühne auf dem Altar gestorben. Man trifft auf eine regelrechte Bandbreite derartiger Abschnitte.

  • „Ein Bündel Myrrhe (kofer) ist mein Geliebter“ (Hohelied 1,14). Dies bezieht sich auf Isaak, der wie ein Bündel auf dem Altar gebunden war. Kofer, weil er für die Sünden Israels sühnt.3
  • Wenn nun Isaaks Nachkommen in Sünde und Missetaten fallen, so gedenke du der Fesselung Isaaks, und erhebe dich vom Throne des Gerichtes, und nimm Platz auf dem Thron des Erbarmens, und werde erfüllt von Mitleid, und wandle die Eigenschaft des Gerichtes in die Eigenschaft der Gnade.4
    • „Lege deine Hand nicht an den Knaben“

      • R. Judah spricht: Als das Schwert die Kehle Isaaks berührte, flog seine Seele geradewegs aus ihm hinaus. Und als er seine Stimme von zwischen den Cherubim erschallen ließ: „Lege deine Hand nicht an den Knaben“, da kehrte die Seele des Knaben in seinen Leib zurück. Dann band ihn sein Vater los, und Isaak erhob sich, wissend, dass auf selbige Weise die Toten zukünftig ins Leben zurückkehren würden; woraufhin er zu rezitieren begann: Gepriesen bist du, oh Herr, der du die Toten auferweckst.5
      • Als Vater Isaak auf dem Altar gebunden und zu Asche verbrannt war und sein Opferstaub auf den Berg Morija geworfen wurde…6

      Die Parallele zwischen den Geschichten und dem Tod und der Auferstehung Jesu ist offensichtlich.

      Wie entstand denn diese Idee – vor allem angesichts der Tatsache, dass Isaak laut dem Bericht in 1. Mose ausdrücklich nicht gestorben ist? Niemand weiß es sicher. Einige gehen allerdings davon aus, dass sie als Reaktion auf christliche Lehren entstanden ist. Die Parallele zwischen den Geschichten und dem Tod und der Auferstehung Jesu ist offensichtlich. Andere spekulieren, die Geschichte spiegele das jüdische Leben im Mittelalter.

      Interessant ist, dass Gläubige an Jeschua schon lange vor dem Mittelalter die Parallelen zwischen diesen beiden Juden entdeckt haben. Die Geschichte der Akedah dient als graphisches Bild für eine größere Akedah, die sich gut 1.800 Jahre nach Abraham und Isaak zutrug. Was Chagalls „Opferung Isaaks“ nur andeutet, legt die Heilige Schrift eindeutig dar.

      • Und er sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebhast, den Isaak, und ziehe hin in das Land Morija, und opfere ihn dort als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir nennen werde!
        (1. Mose 22,2)
      • Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
        (Johannes 3,16)
      • Und wandelt in Liebe, wie auch der Messias uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Opfergabe und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch!
        (Epheser 5,2)

      Abraham liebte Gott so sehr, dass er bereit war, seinen einzigen Sohn als Opfer darzubringen. Und Isaak? Hatte auch er Gott und seinen Vater so lieb, dass er sich nicht beklagte, sondern bereitwillig zum Altar ging?
      Mehr, als Abraham Gott liebte, liebt Gott uns. Mehr, als Isaak bereit war, unterwarf sich Jesus bereitwillig dem Tod als Sühnopfer für uns, damit wir in Frieden mit Gott versöhnt werden können.

      Fußnoten:

      1. The Torah: A Modern Commentary [UAHC, 1981], S. 151 N. 5; Übers. d. vorliegenden Zitats: L.K.
      2. Encyclopedia Jadaica, 2:482, Akedah“ ?1972; Übers. d. vorliegenden Zitats: L.K.
      3. Cant. R. I, Sec 14,I, zu I, 14; f. 12b; Übers. d. vorliegenden Zitats: L.K.
      4. Lev.R. 29:9; Übers. d. vorliegenden Zitats: L.K.
      5. Pirkei de-Rav Eliezer 31; Übers. d. vorliegenden Zitats: L.K.
      6. Shibbole ha-Leket; Übers. d. vorliegenden Zitats: L.K.