Kein Zufall

„stellvertretende Sühne“

Ich war beeindruckt. Nirgends erwähnte mein Traktat diesen von ihm verwendeten Begriff. Und der theologische Ausdruck „stellvertretende Sühne“ ist nicht eben ein Schlagwort, das er auf den Straßen von Budapest hätte aufschnappen können (wo wir gerade standen und redeten).

„Die Vorstellung ist Ihnen vertraut“, bemerkte ich.
„Ist sie“, entgegnete er – ohne den geringsten Versuch, seine Verachtung zu verbergen.
„Wie das?“
„Durch einen Bekannten“, gab er vorsichtig zu. „Barbarisch. Dumm. Abstoßend.“
„Der Bekannte?“, fragte ich.
„Nein. Die Vorstellung.“ Dann lächelte er. „Der Bekannte aber auch. Genau wie ihr alle, die ihr an Gott glaubt.“

Ich zuckte die Achseln. „Tja“, erwiderte ich, „dass ich barbarisch, dumm und abstoßend bin, ist eine zu offensichtliche Tatsache, als dass man sie leugnen könnte. Nur haben Sie vergessen, dass ich auch klein, glatzköpfig und hässlich bin.“
„Dazu wäre ich schon auch noch gekommen“, meinte Laci1.
„Aber ob die Vorstellung von stellvertretender Sühne nun abstoßend ist oder nicht, spielt keine Rolle. Eine Rolle spielt nur, ob sie wahr ist oder nicht.“

Wir fuhren noch ein wenig fort, mit Worten „die Klingen zu kreuzen“. Und obwohl wir keine Basis theologischer Übereinstimmung fanden, freuten wir uns an der freundlichen Auseinandersetzung. Darum gaben wir einander unsere Namen, E-Mail-Adressen und Telefonnummern und einigten uns auf ein weiteres Treffen, um die gesunde Debatte bei einer guten Tasse ungarischen Kaffees fortzusetzen.

Während Laci sich trollte, fragte ich mich, wer wohl sein „Bekannter“ sein könnte.

Das fand ich einige Wochen später bei unserer nächsten Begegnung heraus. Als ich ihn erneut fragte, wie er denn auf diesen theologischen Fachbegriff gestoßen sei, sagte er: „Hab ich doch schon gesagt. Durch einen Bekannten. Ich glaube übrigens, er ist ein Freund von Ihnen.“ Er nippte an seinem Kaffee und nannte dann den Namen. „Pastor Mark Lauderdale1.“
„Woher kennen Sie Mark denn?“
„Ich hatte eine Autopanne“, sagte Laci. „Mark kam zufällig gerade vorbei. Er hielt an und bot seine Hilfe an.“
„Und woher wussten Sie, dass er und ich Freunde sind?“
„Weiß ich nicht mehr“, meinte Laci gleichgültig. „Vielleicht hat er Ihren Namen erwähnt.“

Tatsächlich hatte Mark mir schon von Laci erzählt – einem ungarischen Juden, der eine amerikanisch-jüdische Frau namens Claire1 geheiratet hatte. Mark hatte mich um Rat gebeten, wollte uns aber damals einander nicht vorstellen. Er war sich sicher, dass Laci zu einem Treffen mit mir gar nicht bereit wäre. Und wahrscheinlich wäre das damals wirklich so gewesen… Jetzt jedoch saßen wir in einem Café, nippten Kaffee und besprachen die angeblich zufällige, sinnlose, völlig beliebige Ereignisverkettung, die uns zusammengeführt hatte. Einige Monate lang trafen wir uns immer wieder, um über das Evangelium zu „streiten“. Laci und Claire erzählten mir fortwährend von weiteren „Zufällen“ in Gestalt von Menschen, die ich „zufällig“ kenne und die ihnen ebenfalls das Evangelium weitergesagt haben.

Als Gläubige wissen wir, dass die Ereignisse in unserem Leben keine wahllosen Zufälle sind.

Ich glaube fest daran: Jede einzelne meiner evangelistischen Begegnungen – sei sie auf der Straße, bei jemandem zuhause, im Flugzeug oder in einem Café – gehört zu den „guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat“, damit ich in ihnen wandeln soll (Epheser 2,10). Als Gläubige wissen wir, dass die Ereignisse in unserem Leben keine wahllosen Zufälle sind.

Unser Leben liegt in den Händen eines allmächtigen, barmherzigen Herrn, der unsere Schritte lenkt und uns auffordert, auf seinen Wegen zu gehen, damit wir die guten Werke wirken können, für die er uns geschaffen und erlöst hat.

Die Bibel erinnert uns: „Das Herz des Menschen denkt sich seinen Weg aus, aber der HERR lenkt seine Schritte“ (Sprüche 16,9). Für mich ist ganz offensichtlich, dass Gott Laci und Claire mit dem Evangelium konfrontiert. Wird er sie retten? Bei Abfassung dieses Artikels gehört das Ergebnis noch zum verhüllten Willen des Herrn. Doch dass er ihnen „auf den Fersen“ ist, ist klar erkennbar. Das ist kein Zufall.

Bitte beten Sie, dass Laci und Claire verstehen: All ihre Freundschaften, Begegnungen und Gespräche mit so vielen Menschen von Chicago bis Budapest sind nicht etwa eine Reihe sinnloser Zufälle. Vielmehr sind das von Gott geplante Unterbrechungen, mit denen er Laci und Claire zu sich ziehen will. Beten Sie vor allem, dass Laci und Claire am Ende zu ihm finden.

  1. Namen geändert