Jetzt ist nicht die richtige Zeit – oder vielleicht doch?
Freiheits-Variationen (1/2): Dieses ist der erste Teil mit Bezug auf einen zweiten Artikeln. Denken wir doch einmal konzentriert über Gottes Rettermacht nach. Nur: Was bedeutet eigentlich die Freiheit, nachdem wir errettet sind? Im Folgenden zwei ganz unterschiedliche Aspekte dieses „Freiheits-Themas“. Einer unserer Missionare gibt jemandem eine Lektion weiter; ein anderer empfängt eine Lektion für sich selbst.
„Hast du dich jemals gefragt, ob Gott vielleicht etwas anderes für dich auf Lager hat?“
Vor vielen Jahren begegnete ich einem jüdischen Gläubigen an Jeschua (Jesus), den ich hier Dima nennen möchte. Er wurde in Taschkent (der Hauptstadt Usbekistans) geboren, kam Anfang der 90-er Jahre zum Glauben und wanderte danach mit seiner Familie in die USA aus. Als ich ihm begegnete, war er Mitte zwanzig und hatte kurz zuvor ein Geschäft für Bürobedarf eröffnet. Als wir bei einer Tasse Kaffee miteinander plauderten, fragte ich: „Also, was meinst du – warum hat Gott dich erlöst?“
Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, antwortete er: „Weil er mich liebhat.“
„Das stimmt“, pflichtete ich ihm bei. „Aber aus welchem Grunde hat Gott dich denn zum Glauben geführt? Hast du dich das jemals gefragt?“
Dima überlegte, zuckte dann die Achseln und nahm einen Schluck Kaffee. Wir wechselten zu behaglicheren, alltäglichen Gesprächsthemen, und ich fragte ihn, ob sein Geschäft gut laufe.
Er nickte und gab mit aufrichtiger Bescheidenheit zu: „Man könnte wahrscheinlich sagen, dass ich für mein Alter ziemlich erfolgreich bin.“
„Und hast du dich jemals gefragt, ob Gott vielleicht etwas anderes für dich auf Lager hat?“
Offensichtlich hatte meine Frage einen wunden Punkt berührt. Er versteifte sich ein wenig und sprach in sehr gemessenem Ton: „Ich weiß, dass Gott mich in seinem Dienst haben möchte. Aber jetzt ist nicht die richtige Zeit.“
Dimas Worte kamen mir sehr vertraut vor. Also fragte ich ihn, ob ich ihm ein paar Bibelstellen aus Esra und Haggai zeigen dürfe; er erhob keinen Einspruch.
Jetzt ist nicht die Zeit…
Es war ungefähr im Jahr 536 v. Chr. Kyrus der Große, König von Persien, hatte uns aus einer siebzigjährigen Gefangenschaft in Babylon entlassen – die Erfüllung höchst detaillierter Prophezeiungen wie etwa Jeremia 29,10. Als Kyrus uns gehen ließ, erteilte er uns die Erlaubnis zur Rückkehr in unser altes Heimatland, um dort eine ganz klar umrissene Aufgabe zu erfüllen:
„So spricht Kyrus, der König von Persien: … Wer irgend unter euch zu seinem Volk gehört, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf nach Jerusalem, das in Juda ist, und baue das Haus des HERRN, des Gottes Israels.“ (Esra 1,2.3)
Fünfzigtausend Mann von uns kehrten nach Jerusalem zurück und fingen an, das Haus des Herrn zu bauen. Aber dann erhob sich Widerstand. Wir stellten die Arbeit ein und verwendeten unsere Zeit stattdessen dafür, unsere eigenen Häuser aufzubauen. Wir argumentierten, es sei noch nicht die Zeit, das Haus des Herrn wieder aufzubauen.
Schließlich sprach dann der Herr durch den Propheten Haggai zu uns und schleuderte uns unsere Worte zurück ins eigene Gesicht:
„So spricht der HERR der Heerscharen: Dieses Volk sagt: Es ist noch nicht die Zeit, zu kommen, die Zeit, um das Haus des HERRN zu bauen! Da erging das Wort des HERRN durch den Propheten Haggai folgendermaßen: Ist es aber für euch an der Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus in Trümmern liegt?“ (Haggai 1,2-4)
Ein mitfühlendes Halblächeln im Gesicht, blickte ich von diesem Text auf und schaute Dima an. „Nimm das als eine freundschaftliche Ermahnung“, sagte ich zu ihm. „Gott hat uns zu einem Zweck erlöst. Wenn er dir schon einen Hinweis darauf gegeben hat, was dieser Zweck sein könnte – dann ist es nicht besonders klug, ihm zu sagen, dass du dich erst noch um etwas anderes kümmern musst.“
Erlöst aus Gottes Gründen – nicht aus den unseren
Ich kann mich noch gut daran erinnern: Wenn wir in meiner Kindheit und Jugend jedes Jahr Passah feierten, sprachen wir in einem einzigen Atemzug von der Erlösung aus Ägypten und einer „Befreiung“, als sei das ein und dasselbe. Aber dem ist ganz und gar nicht so! Als Gott uns aus Ägypten erlöste, befreite er uns zwar in der Tat von einem Vorbesitzer. Aber danach ließ er uns nicht einfach laufen. Er kaufte uns vielmehr zurück. Im Grunde befreite er uns aus dem Zwangsdienst für andere, damit wir stattdessen ihm dienen konnten.
Wir sind befreit worden, um zu dienen.
Wer unter uns durch Jeschua erlöst worden ist, wurde aus einer viel größeren Versklavung befreit als ägyptischer Knechtschaft oder babylonischem Exil. Wir sind aus unserer Versklavung unter Sünde und Tod erlöst! Gott hat uns befreit. Aber er hat uns danach nicht einfach laufen lassen. Wir sind befreit worden, um zu dienen.
Auch Larissa ist eine Gläubige aus der ehemaligen UdSSR. Sie kam am Passahfest 1992 zum Glauben – am Fest der Erlösung (als übrigens seit Beginn unserer Arbeit in der Ukraine erst sechs Monate vergangen waren). Schon wenige Monate nach Übergabe ihres Herzens an den Herrn stand sie mit uns auf den Straßen von Odessa und erzählte jedem Hörwilligen vom Herrn.
Möge Gott uns alle davor bewahren, jemals zu vergessen, warum er uns erlöst hat. Aber wenn wir denn doch einmal zu sehr mit dem Bau des falschen Hauses beschäftigt sind, mögen uns Gottes durch den Propheten Haggai gesprochene Worte in den Ohren gellen:
„Achtet doch aufmerksam auf eure Wege! Geht auf das Bergland und holt Holz und baut das Haus! Dann werde ich Wohlgefallen daran haben und verherrlicht werden.“ (Haggai 1,7-8)