Himmlische Beziehungen
Anmerkung: Auf Englisch erstmals am 01. Mai 1991 veröffentlicht.
Lynn und ich hatten vereinbart, uns in einer ihrer Vorlesungspausen auf dem Campus zu treffen. „Mir ist etwas aufgefallen“, sagte sie.
„Wenn du von Gott sprichst, gebrauchst du oft eine von zwei Analogien. Entweder wählst du Beispiele über einen Vater und seine Kinder, oder du sprichst von einem Ehemann und seiner Frau.“
„Wirklich?“, fragte ich lächelnd. „Da hast du wahrscheinlich Recht.“
„Das ist noch nicht alles“, fuhr sie fort. „Wenn du von unserer Beziehung zu Gott sprichst, wählst du die Ehe für deine Beispiele. Wenn du aber von seiner Beziehung zu uns redest, nimmst du einen Vater und seine Kinder als Beispiel.“
„Ehrlich gesagt“, räumte ich ein, „ist mir noch nie aufgefallen, dass ich mich so genau ausdrücke.“
„Oh doch, das tust du“, meinte Lynn.
Lynns Beobachtung machte mich sehr glücklich. Erst eine Woche zuvor hatte sie gebetet, um den Messias aufzunehmen. Und ihre Anmerkungen verrieten mir zumindest, dass sie höchst aufmerksam meinen Versuchen zugehört hatte, ihr einige Grundlagen hinsichtlich ihrer neuen Beziehung zu Gott zu erläutern.
Wenn ich an Eheleute denke, denke ich an Kompromisse.
„Dann sag mir einmal“, forschte ich, „welche Eigenschaften kommen dir bei diesen jeweiligen Beziehungen in den Sinn?“
Sie dachte einen Moment lang nach. „Nun ja, wenn ich an Eheleute denke, denke ich an Kompromisse, verstehst du? Ich meine, da kann man über die Dinge reden und zu einer Einigung kommen. Aber bei Eltern, bei einem Vater…“ Sie blinzelte ein bisschen. „Weißt du, Eltern sagen dir letztendlich einfach, was Sache ist – und du musst es akzeptieren.“
Sie überlegte eine Weile, ob sie noch etwas hinzufügen wollte. „Ich denke, das war’s“, sagte sie. „Also – warum sprichst du von Gott, als wäre er ein Ehemann und ein Vater?“
„Weil er das ist“, antwortete ich.
„Welches von beiden?“
„Beides. Und noch mehr. Er ist auch ein Bruder. Und er nennt uns sogar Freunde. Klingt das verwirrend?“
Sie nickte und lachte so halb und halb. „Allerdings.“
„Das ist das Schöne an Beziehungen“, sagte ich. „Du hast dein ganzes restliches Leben Zeit, an ihnen zu arbeiten. Sogar, sie zu definieren.“
An diesem Nachmittag redeten wir noch ein wenig mehr. Lynn legte jedes meiner Worte unter die Lupe, während ich ihr erklärte, dass das Kennzeichen einer guten Ehe nicht in Kompromissen besteht, sondern in Innigkeit.
„Die Nähe, die Gott zu einem jeden von uns haben möchte“, erklärte ich, „ist wie die Innigkeit, die in der bestmöglichen Ehebeziehung aufgebaut werden sollte.“
„Trotzdem gibt es im Eheleben so etwas wie Kompromisse“, beharrte sie. „Bei Eltern nicht. Wenn Eltern dir sagen, was sie wollen, erwarten sie Gehorsam.“
„Und Gott ebenfalls“, bestätigte ich. „Das Gute ist, dass Gott wirklich Recht hat. Und was er von uns erwartet und fordert, ist immer richtig für uns und immer zu unserem Besten.“
„Können wir das nie mit ihm ausdiskutieren?“, wollte sie wissen.
Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Durchaus. Gott will, dass wir im Verstehen seiner Wege wachsen. Weißt du, in der Bibel steht ja nirgends: ‚Glaube und bleibe dumm.‘ Jesus hat gesagt: ‚Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan‘ (Lukas 11,9).“
Gott will, dass wir im Verstehen seiner Wege wachsen.
Lynns Vorlesungspause war fast vorbei. Darum beschlossen wir, ein andermal weiterzureden. Bevor ich ging, fragte ich noch, wie ich für sie beten könne.
„Bete, dass ich mehr verstehe“, bat sie.
„Möchtest du denn verstehen?“, fragte ich.
„Ja, das möchte ich wirklich“, antwortete sie.
„Ich kann dir aus berufenem Mund sagen, dass Gott dir ein solches Verstehen genauso wenig vorenthalten wird wie…“
„…wie ein Vater seinen Kindern etwas Gutes vorenthalten würde, stimmt’s?“
„Stimmt!“, antwortete ich.
Ich war vom geistlichen Fortschritt dieser Neugläubigen ermutigt. Noch eine größere Ermutigung ist das Wissen, dass Gott als himmlischer Ehemann der Gemeinde als seiner Braut ewig treu ist; und als unser himmlischer Vater wünscht er nur das Gute für seine Kinder.