Eine Begegnung in Köln
Erstmals 2011 veröffentlicht. Ich möchte nicht wiederholen, was der Mann an einer Kölner Straßenecke zu mir sagte.
Nur soviel: Seine Worte waren hässlich, grausam und ganz bewusst verletzend gemeint.
Dann wandte er sich um, ging schnell davon und ließ mir somit keine Möglichkeit, ihn in ein etwas sanftmütigeres und friedfertigeres Gespräch zu ziehen. Vielleicht war das gar nicht so schlecht – im Lichte dessen, was er gerade gesagt hatte, war mir nämlich nicht eben friedfertig zumute. Ich fühlte mich verletzt und war wütend. Aber dank der Gnade Gottes (und auch dank lehrreicher Erfahrungen der Vergangenheit) schob ich meine natürlichen Gefühle beiseite und betete, Gott möge doch im Leben dieses Mannes wirken und ihn retten. Tatsächlich bat ich den Herrn sogar, diesen Mann noch einmal an die Straßenecke zu bringen, wo ich stand und meine Traktate verteilte, sodass ich ein ehrliches Gespräch mit ihm führen könnte. Aber der Herr brachte ihn nicht zurück, und ich habe ihn seither nicht mehr gesehen.
Der größte Beweis von Gottes Liebe zu uns ist die Tatsache, dass Jeschua für uns gestorben ist.
Was reizte mich zum Gebet für diesen Mann? Zwei Dinge. Erstens wusste ich, wie sehr Gott ihn liebt – trotz seiner grausamen Worte und seines tiefen Unglaubens. Und zweitens wusste ich nur zu gut, wie sehr Gott mich geliebt hatte, schon ehe ich 1977 Buße tat und meinen Glauben auf Jeschua (Jesus) setzte.
Aus der Bibel erfahren wir: Der größte Beweis von Gottes Liebe zu uns ist die Tatsache, dass Jeschua für uns gestorben ist – nicht, weil wir seine Freunde waren, sondern während wir noch seine Feinde waren (Römer 5,8-10). Wenn der größte physische Beweis für Gottes Liebe im Opfer seines Sohnes zu finden ist, ist die größte wörtliche Verkündigung dieser Liebe vielleicht in den Worten aus Hesekiel 33,11 zu finden: „So wahr ich lebe, spricht GOTT, der Herr: Ich habe kein Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass der Gottlose umkehre von seinem Weg und lebe! Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen! Warum wollt ihr sterben, o Haus Israel?“
Gott beginnt mit einem Schwur, um die absolute Wahrhaftigkeit dessen zu untermauern, was er gleich sagen wird. Die Vollmächtigkeit dieses Eides spricht vom Ausmaß seiner Leidenschaft für die Verlorenen. „So wahr ich lebe, spricht Gott, der Herr.“ Er schwört bei seiner eigenen Existenz, weil er bei keinem Größeren schwören kann als bei sich selbst.
Danach legt er sein innerstes Herz offen. „Ich habe kein Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass der Gottlose umkehre von seinem Weg und lebe.“ Gott wäre voll und ganz im Recht, wenn er auf seiner Gerechtigkeit beharren und vollkommen ungerührt zuschauen würde, wie wir – die Gottlosen – vernichtet werden. Aber das tut er nicht.
Seine Worte vermitteln regelrechte Herzensqualen um derjenigen willen, die der Verurteilung entgegensehen – obwohl eine Verurteilung genau das ist, was wir verdient haben.
„Ich habe kein Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass der Gottlose umkehre von seinem Weg und lebe.“
Auf die Offenlegung seines Herzes folgt das Flehen seiner Lippen. „Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen!“ Einfach unglaublich: Gott höchstpersönlich fleht uns an, Buße zu tun!
Darauf folgt noch ein abschließender Ruf an den gesunden Menschenverstand. „Warum wollt ihr sterben, o Haus Israel?“ Dass wir zugrunde gehen, liegt nicht an der Wut eines rächenden Gottes, sondern an unserer eigenen hartnäckigen Entscheidung. Gott möchte unbedingt, dass es anders ist.
Wer weiß? Vielleicht stoße ich eines Tages in der Zukunft nochmals auf diesen Mann aus Köln. Vielleicht begegnen wir uns als Brüder im Herrn und reden über diese erste unangenehme Begegnung auf den Straßen. Zwar hat Gott damals entschieden, mein zweites Gebet nicht zu beantworten und ihn mir an jenem Tag nicht mehr über den Weg zu schicken. Aber vielleicht wird er mein erstes Gebet für diesen Mann beantworten – das Gebet um seine Errettung. Das ist ja schließlich das wichtigere der beiden Gebete.