Antisemitismus und Evangelisation unter Juden
Ist die Evangelisation unter Juden eine Fortsetzung des Holocaust?
Ist die Evangelisation unter Juden eine Fortsetzung des Holocaust?
Wieso sollte das wahr sein? Jesus predigte uns Juden das Evangelium. Und die Apostel predigten uns Juden das Evangelium. In der Tat predigten Mose und alle Propheten uns Juden das Evangelium (z.B. Jesaja 53). Heißt das, dass Moses, die Propheten, die Apostel und Jesus Nazis waren? Versuchten die alle nur, uns durch einen spirituellen Holocaust zu zerstören? Das zu denken, ist völlig absurd.
Voller Liebe und Mitgefühl erklärte Jeschua einmal jüdischen Zuhörern: „…wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr sterben in euren Sünden.“ (Johannes 8, 24). Ebenso sagte er zu den Aposteln, von denen alle Juden waren: „…niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Johannes 14, 6). Der Apostel Petrus sagte dem Sanhedrin, dem jüdischen Hohen Rat: „Und in keinem andern [außer Jesus] ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ (Apostelgeschichte 4, 12). Und der Apostel Paulus sagte, dass die Botschaft des Evangeliums die Kraft Gottes ist, „…die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst…“ (Römer 1, 16). Vor dem Hintergrund der biblischen Überlieferung müssen wir uns eine extrem unbequeme, aber entscheidende Frage stellen: Wenn die oben genannten Behauptungen wahr sind, und wenn wir Juden in der Tat in unseren Sünden sterben werden, es sei denn, wir glauben an Jesus, wer ist dann eigentlich antijüdisch? Derjenige, der die Botschaft des Heils vermittelt, oder derjenige, der uns Juden die Botschaft vorenthält?
Versehentliche Antisemiten
Dank der Gnade Gottes muss es wohl Hunderttausende von Christen weltweit geben, deren Herzen mit einer tiefen und innigen Liebe für das jüdische Volk erfüllt sind. Und doch prangern auf paradoxe und tragische Weise einige davon die Evangelisation an, die Jesus selbst leidenschaftlich verfolgte und die während der drei Jahre, während der er uns in der Welt predigte, seine oberste Priorität war: die frohe Botschaft den verlorenen Schafen des Hauses Israel zu verkünden. Wahrscheinlich glauben diese aufrichtigen Christen, dass sie durch das Verleugnen des Grundes für die jüdische Evangelisation den nichtgläubigen jüdischen Mitmenschen gegenüber, die sie lieben, Freundschaft und Respekt ausdrücken. Doch wir messianische Juden können nicht umhin, die Angelegenheit in einem ganz anderen Licht zu sehen: Durch ein Anprangern der jüdischen Evangelisation drücken diese Christen weder Freundschaft noch Liebe aus. Vielmehr begehen sie den lieblosesten und antijüdischsten Akt, den ein Christ begehen kann. Sie raten dazu, dass uns Juden die einzige Information, die uns von der geistigen Zerstörung retten kann, verweigert wird, und sie befürworten dies nur – und gerade weil – wir Juden sind!
Heißt das, dass Christen, die die jüdische Evangelisation verurteilen, Antisemiten sind? Nein, sicher nicht! Aber wenn niemand zum Vater kommt, als nur durch den Sohn, wie kann dann ein Anprangern der jüdischen Evangelisation etwas anderes sein als ein antijüdischer Akt, auch wenn die Tat zufällig oder in Unwissenheit begangen wird? Auch wenn die „Akteure“ möglicherweise nicht vorsätzliche Antisemiten sein mögen, sind ihre Handlungen selbst antisemitisch, da sie zur geistlichen Vernichtung des jüdischen Volkes beitragen. Dieser unfreiwillige Beitrag zu unserer geistlichen Zerstörung ist die echte Fortsetzung der Shoa (des Holocaust).
Ein Christ könnte argumentieren: „Aber das wussten wir nicht!“ Doch kann jemand wirklich Unwissenheit vortäuschen, wenn die Schriften doch so eindeutig sind? Und was, wenn der Schleier gelüftet wird? Was passiert, wenn ein Christ in der Schrift klar sieht, dass uns Juden ohne Jesus ewiges Verderben droht, wie jedem anderen auch? Und besonders: Was, wenn ein Christ einfach weiter schweigt, oder noch schlimmer, was passiert, wenn dieser Christ weiter die Verbreitung der Botschaft Gottes der Rettung des jüdische Volks verurteilt?
Wenn ein Arzt einem Patienten eine lebensrettende Behandlung vorenthält, besonders, weil der Patient Jude ist, würde dieser Arzt als Freund der Juden gefeiert? Oder würde dieser Arzt später für sein Verbrechen zur Verantwortung gezogen?
Ich verstehe die Beweggründe der Nichtgläubigen, die die jüdische Evangelisation als Fortsetzung des Holocaust bezeichnen. Sie denken, dass sie mein Volk vor einer Botschaft beschützen, die sie fälschlicherweise als hasserfüllt oder für uns Juden schädlich betrachten. Ich verstehe auch die Motive der anderen Nichtgläubigen, die erkennen, dass dieser Vorwurf falsch ist, ihn aber dennoch machen. Sie wissen, dass die emotionale Macht des Anklagens zwei antimissionarische Ziele erreicht: Sie schreckt Christen davon ab, das Evangelium zu teilen, und sie schreckt das jüdische Volk davon ab, zuzuhören, was Christen ihm zu sagen haben. Ich kann den Irrtum der wohlmeinenden Christen verstehen, die versehentlich eine falsche Lehre stützen, da sie falsch informiert sind.
Aber was soll ich von aufrichtigen Glaubensbrüdern in Jesus halten, die es doch eigentlich besser wissen? Was soll ich von echten Christen halten, die verstehen, was die Bibel sagt, die aber das Argument nachbeten, dass die jüdische Evangelisation antisemitisch sei, oder die der Verbreitung des Arguments durch ihr Schweigen helfen? Was soll ich von echten Gläubige halten, also nicht reinen Kulturchristen, die von der Liebe des Herrn gekostet haben, aber nichts dagegen haben, dass mein Volk denkt, dass Gottes Botschaft der Liebe für es eine Botschaft des Hasses zu sein hat?
Wen und was verurteilen wir?
Wenn wir die jüdische Evangelisation als antisemitisch verurteilen, wie nahe kommen wir dann einer Verurteilung des größten jüdischen Evangelisten aller Zeiten, dem Messias Jesus selbst? Wenn wir die jüdische Evangelisierung brandmarken als geistliche Fortsetzung des Holocaust, wie nahe kommen wir dann einer Brandmarkung von Jesus als Zerstörer des Volks, das er liebt und so gerne retten möchte?