Jeder jom tov brachte neue Aufgaben über die sich jeder beschwerte, die aber dann doch niemanden störten – dieses Jahr allerdings gab es Vorbereitung über Vorbereitung, und die Dorfbewohner waren so aufgeregt dass sie ganz vergaßen sich zu beschweren.
Leah (die Frau des Metzgers) hörte von Malkah (der Tochter des Gerbers) das Mottel (der Kneipenbesitzer) von Yossel (dem Reisebuchhändler) die erstaunlichen Neuigkeiten gehört hatte… dass der Weise der Weisen nach Vaysechvoos kommen würde.
Keiner in Vaysechvoos hatte den Weisen jemals gesehen, oder kannte jemanden, der ihn gesehen hatte. Aber Shlomo, der Blinde, behauptete er hätte ihn einmal gesehen, aber Zeidel, der Gerber, bemerkte: „Wer glaubt schon einem Blinden der behauptet er hätte etwas gesehen?“ Trotzdem wusste jeder, dass der Weise existierte.
Der Große Weise würde von Dorf zu Dorf wandern und seine Weisheit, die größer sei als die Salomos, teilen. Die Legende besagt, dass jene Haushalte, die bereit sind ihn aufzunehmen, besonders gesegnet werden. Diejenigen, die nicht für ihn bereit sind…. diese Geschichte wird verwendet um kleine Kinder zu erschrecken.
Dieses Chanukka in Vaysechvoos würde als anders als die vorherigen. Die Menschen machten sich daran ihre Hauser und Arbeitsstellen zu verschönern. Niemand wollte von den Segnungen des großen weisen ausgenommen sein. Und ganz sicher wollte niemand unvorbereitet sein.
Menachem, der Milchbauer, reparierte seinen Zaun, seine Frau Fruma entdeckte dass die Milchkannen poliert werden mussten. Reuven, der Hausierer, entsorgte einige alte waren und auch einige frivole Gegenstände, die der Weise wohl nicht gutheißen würde. Chaya verkaufte ihre Eier noch warm, so frisch waren sie. Hershel fuhr seine Milch so früh aus, dass manchmal sogar die Kühe noch schliefen. Außerdem gab es noch mehr Verbesserungen. Yossel, der Philanthrop, wurde noch großzügiger. Feyvel, der Bettler, einer der faulsten Männer in Vaysechvoos, fand Entschuldigungen dafür, dass er nicht mehr arbeitete.
Jeden Abend studierten die Männer die heiligen Bücher mit mehr Eifer, und sogar der weise von Vaysechvoos – der für seine tiefe Weisheit bekannt war – studierte seine Bücher eifriger.
Aber dann kamen unvermeidbare Fragen auf: „Wie können wir denn wissen, dass der Große Weise nach Vaysechvoos kommt?“, fragte Reuven, der Hausierer.
„Welche bessere Zeit könnte es denn geben als das Lichterfest, an dem wir das große Wunder der Wiedereinweihung des Tempels feiern?“, antwortete Yossel.
Menachem der Milchbauer bemerkte: „Aber es ist ja nicht bloß irgendein Chanukka, sondern eines an dem so viele gute Dinge in Vaysechvoos passiert sind!“
Die anderen stimmten zu und wunderten sich, dass sie nicht schon früher bemerkt hatten, was für eine großartige Zeit es war für den Großen Weisen in ihr Dorf zu kommen. War denn nicht die Ernte dieses Jahr besonders gut ausgefallen? Wurden alte Unstimmigkeiten nicht endlich beigelegt? Waren nicht die Schüler des Rabbis jünger und klüger als sonst? Und hatte nicht Menachems Kuh dieses Jahr Zwillinge bekommen? Alle stimmten zu, dass dieses Jahr alle Zeichen auf etwas Gr0ßes hinwiesen. Vielleicht würde ein großes Wunder in Vaysechvoos geschehen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr und die Dorfbewohner warteten mit großer Aufregung auf den Weisen.
Nur Malkah, die Witwe, lebte ihr Leben weiter wie zuvor, als ob nichts Ungewöhnliches passieren würde. Malkah lebte alleine in einem kleinen Haus vor Vaysechvoos. Da sie sehr schüchtern war,
dachten die anderen sie sei warmherzig aber auch etwas einfach gestrickt. Sie war auch wirklich warmherzig, aber keinesfalls einfach.
Malkah brauchte sich einfach nicht so verrückt machen wie die anderen Dorfbewohner. Sie besaß keine Milchkannen zum Polieren, sie hatte keine liegengebliebenen Arbeiten, keine schlechten Angewohnheiten. Sie bereitete sich so vor, als sei es ein ganz normales Chanukka, wie jedes Jahr.
Malkah, die Tochter des Gerbers, besucht ihre Namensvetterin da sie befürchete, dass ihr einfach niemand Bescheid gesagt hatte, dass der Große Weise ins Dorf kommen würde. Malkah, die Witwe, lächelte und sagte dass sie in der Tat Bescheid wisse und über die ganze Aufregung informiert sei. Da wunderte sich die jüngere Malkah noch mehr, denn wenn die Witwe doch Bescheid wisse, wie könne sie da so ruhig bleiben?
Mit einem Hoffnungsschimmer ind en Augen und einer durch viele Jahre der Geduld und Weisheit geübten stimme erklärte die Witwe ihr: „Mein Kind, ich wusste schon immmer dass der große weise eines Tages kommen wurde. Vielleicht an Chanukka. Vielleicht auch an einem anderen tag. Wann immer es für ihn am besten ist, ich werde bereit sein.“ Die Tochter des Gerber ging sehr nachdenklich nach Hause um ihre Aufgaben zu erledigen.
Endlich war der große Festtag da und die Dorfbewohner feierten. Jedes Haus hatte eine Menorah im Fenster stehen um die weg zur Tür zu erleuchten. Jedes Haus war sauber, jedes Gesicht war gewaschen und jeder tisch war festlich mit Latkes gedeckt. Eine einzige Sache fehlte – der weise.
Aber sogar die Großen Weisen können sich mal verspäten, so meinten die Dorfbewohner „Er wartet sicher auf mehr Lichter!“ Aber am achten Tag von Chanukka, als alle Häuser von Vaysechvoos mit den voll erleuchteten Menorahs strahlten, war der große weise immer noch nirgends zu sehen.
Die Bewohner von Vaysechvoos warteten noch diese letzte Nacht. Und dann warteten sie noch etwas länger. Einige blieben die ganze Nacht wach, da sie befürchteten der Weise könnte ankommen, sehen dass alle schlafen und dann weiter ins nächste Dorf wandern. Aber er kam nicht, weder in dieser Nacht, noch am nächsten Tage. Der Schnee kam, der weise aber nicht. Purim kam und ging, und dann Pessach. Und immer noch kein Großer Weiser.
Irgendwann hörten die Menschen auf, auf seine Ankunft zu warten. Stück für Stück wandten sie sich wieder den alten Gewohnheiten zu. Menachems Zaun zerbrach wieder und wurde nicht repariert. Fruma entschied dass die Milchkannen nicht zu glänzen brauchten. Ab und zu verkaufte der Hausierer etwas, das nicht nützlich war zu einem teuren Preis. Yossel wollte nicht mehr ganz so großzügig sein, die Eier von Chaya waren manchmal faul und die Kinder hatten keine Milch für ihr Frühstück wenn Hershel lieber ausschlief.
Am nächsten jom tov erinnerten sich die Menschen kaum an den Großen Weisen. Wenn man sie daran erinnerte, sagten sie, dass sie ihn jeden Moment erwarteten, aber in Wahrheit glaubte niemand mehr an sein Kommen.
Außer Malkah, die Witwe. Sie lebte genauso weiter, wie sie es schon immer getan hatte – nicht aufgeregt, immer voller Hoffnung, niemals vergessend. Schließlich wusste sie dass der Große Weise tatsächlich eines Tages nach Vaysechvoos kommen würde. Und dann würde sie bereit sein, ihn willkommen zu heißen.