Hat Gott seine Meinung über das Gesetz geändert?

Apostelgeschichte 10,9-16; 11,1-3.17-18

Haben Sie jemals mit Gott gehadert? In Apostelgeschichte 10 und 11 lesen wir von einer Zeit, als der Apostel Petrus zunächst mit dem Herrn stritt und vor Gottes Auftrag zurückschreckte. Gott wollte ihn nämlich zum Hauptmann Kornelius schicken, damit der mit seinem ganzen Haus die Erlösungsbotschaft hören und gerettet werden sollte. Aber bevor das geschehen konnte, musste Petrus zuerst einmal bereit sein, mehrere Schranken zu überwinden: Schranken, die er offenbar noch nie überschritten hatte. Er sollte aus freien Stücken das Haus eines Nichtjuden betreten und sogar mit einem solchen Menschen essen. Um Petrus auf diesen Schritt vorzubereiten, schickte der Herr ihm eine Vision: Petrus sah ein großes Tuch aus dem Himmel herabkommen, und in diesem Tuch eine große Anzahl von vierfüßigen Tieren, Vögeln und Kriechtieren (wahrscheinlich Insekten). Die Stimme, die diese Vision begleitete, sagte: „Steh auf, Petrus, schlachte und iss!“ Wie lautete Petrus’ Antwort? „Keineswegs, Herr! Denn nie habe ich etwas Unheiliges oder Unreines gegessen“ (V. 13.14). Was lernen wir aus diesen Versen? Bei den lebenden Geschöpfen dieser Vision handelte es sich um Tiere oder Insekten, die nach dem mosaischen Gesetz unrein waren. (Möglicherwiese bildeten sie nur einen Anteil; auf jeden Fall jedoch waren „unkoschere“ Lebewesen enthalten.) Was wissen wir noch? Anhand von Petrus’ Antwort können wir davon ausgehen, dass er bis zu diesem Zeitpunkt auch als Gläubiger an Jeschua niemals unkoschere Nahrung zu sich genommen hatte. Ich halte auch die Annahme für vernünftig, dass Petrus als jüdischer Gläubiger an Jeschua weiterhin als Jude lebte; er befolgte das Gesetz und hatte hauptsächlich mit seinen jüdischen Mitmenschen Gemeinschaft. Wir erfahren aus Petrus’ Antwort noch mindestens eine weitere Tatsache. Das Gebot der Stimme vom Himmel schien im Widerspruch zum Gesetz des Mose zu stehen. Ich gehe davon aus, dass die Stimme, die zu Petrus sprach, entweder die des Herrn war oder aber in der Vollmacht des Herrn redete. Der Text deutet das so an. Und was entgegnet die Stimme auf Petrus’ Einwand? „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein“ (V. 15). Ich habe einige Leute sagen hören, diese Vision sei durchaus kein Gebot und keine Erlaubnis für Petrus gewesen, unkoschere Speisen zu essen. Es habe sich dabei einfach um die Genehmigung gehandelt, Nichtjuden zu besuchen und mit ihnen zu reden. Diese Erklärung gründet sich auf Petrus’ eigene Worte an Kornelius, die wir einige Verse später in Apostelgeschichte 10 lesen: „Ihr wisst, wie unerlaubt es für einen jüdischen Mann ist, sich einem Fremdling anzuschließen oder zu ihm zu kommen; und mir hat Gott gezeigt, keinen Menschen gemein oder unrein zu nennen“ (V. 28). Also habe Petrus die Schranke möglicherweise gar nicht durchbrochen und nicht mit Kornelius gegessen. Aber im nächsten Kapitel wird deutlich, dass er diesen Schritt getan hat. Bei seiner Rückkehr nach Jerusalem nahmen Gläubige, die die Schrift als „beschnitten“ bezeichnet, Anstoß an Petrus und sagten: „Du bist bei unbeschnittenen Männern eingekehrt und hast mit ihnen gegessen“ (11,3). Petrus streitet das nicht ab. Als Erklärung erzählt er stattdessen alles, was geschehen ist. Dann schließt er mit den Worten: „Wenn nun Gott ihnen die gleiche Gabe gegeben hat wie auch
uns, die wir an den Herrn Jeschua haMaschiach geglaubt haben, wer war ich, dass ich hätte Gott wehren können?“ (V. 17) Was bekam Petrus gesagt, und was verstand er durch die Stimme und die Begegnung? Er verstand, dass Gott auf irgendeine Weise gewisse unreine Speisen und Menschen für rein erklärte. Und er begriff auch: Widerspruch (selbst auf Grundlage des mosaischen Gesetzes) war, als wolle er Gott wehren. Nebenbei möchte ich folgendes erwähnen: Die Kernvorstellung von rein oder „koscher“ bedeutet, für Gott annehmbar zu sein. Als die Stimme sagte: „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein“, bedeutete das: „Was Gott annehmbar gemacht hat…“ Ich werde später auf diesen Begriff „annehmbar“ zurückkommen. Wie können wir dies also verstehen? Sagte Gott zu Petrus, er solle das Gesetz des Mose brechen? Oder teilte Gott ihm mit, dass dieses Gesetz ihn (Petrus) nicht länger in jener Weise betraf, in der es ihn einst betroffen hatte? Gewährte Gott ihm die Freiheit, um der Verbreitung des Evangeliums willen dort hinzugehen, wo er früher nicht hingegangen war? Die Freiheit, etwas zu tun, was er vorher nie getan hatte?

Hat Gott seine Meinung über das Gesetz des Mose geändert?

Hat Gott also seine Meinung über das Gesetz geändert? Um diese Frage zu beantworten, möchten wir einige Punkte betrachten.

Der Zweck des Gesetzes

Laut der Bibel gibt es viele Gründe dafür, dass wir das Gesetz des Mose bekommen haben. Beispielsweise sollte uns das Gesetz am Leben erhalten: Wir sollten nicht nur überleben, sondern uns auch stark vermehren (5Mos 6,3). Ein Großteil des Gesetzes hat bedeutenden hygienischen Wert – vor allem im Bezug auf die Nahrungsmittel, die als annehmbar bzw. nicht annehmbar eingestuft werden. Zweitens hat Gott uns das Gesetz gegeben, damit unser Leben im Land Israel gesegnet sein sollte (5Mos 28,1-14). Er hat versprochen: Wenn wir seinen Bund halten, wird er unseren Gehorsam segnen und mit Fruchtbarkeit, Sieg und Ehre belohnen. Drittens hat Gott uns das Gesetz gegeben, um uns von allen umliegenden Nationen abzusondern – ja, sogar von allen Völkern der Welt (2Mos 19,5.6). Nach Gottes Willen sollten wir uns in allen Aspekten unseres Lebens von allen anderen Nationen unterscheiden: in der Ernährung; in der Art unserer Geschäftsabwicklung; in Saat und Ernte, in der Behandlung unserer Herden; ja sogar in der Art, wie wir unsere Kleider herstellten! Viertens hat Gott uns das Gesetz gegeben, um seinen heiligen Charakter zu verdeutlichen (3Mos 19,2; 5Mos 4,8; Röm 7,12). Das Gesetz ist heilig; das Gesetz ist gerecht; das Gesetz ist gut; das Gesetz ist reich an Erbarmen – und so ist der Herr, der das Gesetz gegeben hat. Fünftens sollte das von Gott gegebene Gesetz unsere Sünde offenbaren; es sollte uns über Sünde belehren, uns unserer Sünden überführen – und sogar dafür sorgen, dass die Sünde überhand nehme (Röm 7,7-11). Sechstens hat Gott uns das Gesetz gegeben, um uns zum Glauben an den Messias zu führen (Joh 5,39; Gal 3,23). Der letzte Punkt in meiner Auflistung (nicht der letzte Punkt von Gottes Absichten): Das von ihm gegebene Gesetz sollte ein Zeugnis für die uns umgebenden Völker sein, weil Gott die Heiden liebt (5Mos 4,5-7). Wenn wir seinen Bund hielten, konnten die Nationen sehen: Unser Gott ist Wirklichkeit; unser Gott ist uns nahe; unser Gott hört uns, wenn wir ihn anrufen; und er antwortet! Mit der Einhaltung des Gesetzes sollten wir die Nationen zur Eifersucht reizen!

Die Geltungsdauer des Gesetzes

Wenn dies einige der Absichten des Gesetzes sind, wie lange sollte das Gesetz gelten? Wie lange sollte es Bestand haben? Jeschua selbst hat diese Frage mit deutlichen Worten beantwortet. In Matthäus 5,17-18 sagt er: „Meint nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.“ Mit anderen Worten: Das Gesetz sollte – und soll – bis ans Ende der Zeiten bestehen bleiben. Das Gesetz hat nicht aufgehört, als Jeschua gestorben und von den Toten auferstanden ist. Das Gesetz besteht und wirkt bis zum heutigen Tag.

Gültigkeit des Gesetzes

Doch nun kommen wir zum Kern der Sache. Für wen gilt das Gesetz? Mit anderen Worten: Wer ist verpflichtet, es zu halten? Keine Frage, das Gesetz existiert und gilt auch heute. Aber wer ist unter seiner Herrschaft? Von wem wird verlangt, dass er es ausübt? Das ist die Frage. Die Antwort fällt nicht schwer. Jeder, der unter dem Gesetz geboren worden ist oder sich unter das Gesetz begeben hat, muss es halten. Das schließt alle unter uns ein, die als Juden geboren wurden. Ebenso sind all diejenigen Nichtjuden eingeschlossen, die zum Judentum übergetreten sind und sich Beschneidung und Mikwe unterzogen haben. Nun möchte ich die Frage auf andere Art stellen. Wer ist nicht verpflichtet, das Gesetz zu halten? Erstens wird das von den meisten Nichtjuden weder verlangt noch erwartet. Gott hat das Gesetz nicht den dänischen Wikingern gegeben. Gott hat das Gesetz nicht den Kosaken in Osteuropa gegeben. Gott hat das Gesetz nicht den Indianerstämmen der nordamerikanischen Ebenen gegeben. Gott hat das Gesetz uns Juden gegeben – und sämtlichen Menschen, die sich freiwillig unter das Gesetz stellen. Alle anderen sind ausgenommen. Aber ist es möglich, dass auch noch andere vom Gesetz ausgenommen sind? Ja. Die Bibel beschreibt auf drei verschiedene Arten eine weitere Gruppe von Menschen. Jeder, auf den diese Beschreibung passt, ist ausgenommen oder frei vom Gesetz.

„Söhne“

In Matthäus 17 lesen wir, wie die Sammler der Tempelsteuer (sie betrug zwei Drachmen) zu Petrus kamen und wissen wollten, ob Jeschua die Steuer gemäß dem Gesetz bezahle. Wir müssen von Anfang an daran denken, dass die Tempelsteuer von Gott in 2. Mose 30,13 angeordnet worden war. Die Tempelsteuer war Teil vom mosaischen Gesetz. Petrus antwortete ja, Jeschua bezahle diese Steuer. Dann lesen wir in Matthäus 17,25-27: „Und als er in das Haus eintrat, kam Jesus ihm zuvor und sprach: Was meinst du, Simon? Von wem erheben die Könige der Erde Zoll oder Steuer, von ihren Söhnen oder von den Fremden? Da er aber sagte: Von den Fremden, sprach Jesus zu ihm: Demnach sind die Söhne frei. Damit wir ihnen aber kein Ärgernis geben, geh an den See, wirf eine Angel aus und nimm den ersten Fisch, der heraufkommt, öffne sein Maul, und du wirst einen Stater finden; den nimm und gib ihnen für mich und dich.“ Mit diesen Worten zeigte Jeschua einen sehr wichtigen Unterschied auf. Er stellte klar: Es gibt Menschen, die verpflichtet sind, die Steuer zu zahlen. Und es gibt diejenigen, die ausgenommen oder frei sind. Diese Leute können sich aber trotzdem entscheiden, um des Friedens willen die Steuer zu entrichten. Die Söhne unterliegen keiner Verpflichtung. Sie genießen Entscheidungsfreiheit. Wer sind die Söhne und Töchter von Gottes Königreich? Der Apostel Johannes macht das im ersten Kapitel seines Evangeliums deutlich. „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben“ (V. 12). Diese Söhne und Töchter sind vom Gesetz ausgenommen. Wer ist noch frei?

Diejenigen, deren Herz von innen gereinigt ist

In Markus 7,14-23 lehrt Jeschua über die eigentlichen Gründe der Verunreinigung. Mitten in diesem Abschnitt sagt er: „Begreift ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht verunreinigen kann?“ (V. 18) Diejenigen, deren Herz durch den Glauben an Jeschua gereinigt ist, sind rein. Das Einnehmen von Speisen, die vom Gesetz für unrein erklärt werden, kann keine Verunreinigung bewirken. Warum nicht? Weil diese Speisen weder ins Herz hineingehen noch sein neues Wesen anrühren. Diese Nahrungsmittel gehen in den Magen, durchlaufen das Verdauungssystem und werden vom Körper ausgeschieden. Was in den Magen hineingeht, verursacht keine Verunreinigung. Verunreinigung wird vielmehr durch das bewirkt, was aus dem Herzen hervorgeht. Im Herzen beginnende unreine und unheilige Gedanken steuern die Handlungen, die dann zur Verunreinigung des Leibes führen. Was hat das damit zu tun, vom Gesetz ausgenommen zu sein? Nun, erinnern wir uns: Die zur Diskussion stehenden Nahrungsmittel sind vom Gesetz verboten und für unrein erklärt. Obwohl sie vom Gesetz verboten sind, brauchen wir keine Verunreinigung zu fürchten, wenn wir sie essen. Sie können ja unser Herz nicht berühren, das bereits durch Glauben gereinigt ist. An mindestens zwei Stellen der Bibel sehen wir im Leben von Jeschua selber Beispiele für dieses Prinzip. Jesus ist natürlich vollkommen rein und unbefleckt. Das sagt uns die Schrift. „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm“ (2Kor 5,21). „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem in gleicher Weise wie wir versucht worden ist, doch ohne Sünde“ (Hebr 4,15). Jesus war und ist sündlos. Und dennoch berichtet die Bibel, wie eine Frau mit Blutfluss sich ihm von hinten näherte und sein Gewand berührte, um geheilt zu werden (Mk 5,25-34). Laut Gesetz hätte dies Jeschua unrein gemacht. Aber die Bibel erwähnt nichts davon, dass er sich nach der Heilung für eine zeremonielle Reinigung Zeit genommen hätte. Warum nicht? Eine zeremonielle Reinigung war gar nicht nötig, weil er vom äußeren Einfluss ihrer Berührung nicht unrein geworden war. Auf dieselbe Weise blieb Jeschua nach der Heilung eines Aussätzigen rein (Mt 8). Dabei hatte er den Mann nicht nur für rein erklärt; er hatte ihn sogar berührt. Das Berühren eines Aussätzigen hätte ihn unrein machen müssen. Doch das geschah nicht. Natürlich, wir sind nicht der Herr. Das Prinzip bleibt jedoch bestehen. Diejenigen, die durch ein Wunder von innen gereinigt worden sind, können nicht durch das unrein werden, was sie von außen berührt. Genauso gilt: Alle, die nicht von innen gereinigt sind, werden nicht dadurch rein, dass sie nur „Reines“ essen oder nichts „Unheiliges“ verzehren. Wie Jeschua gesagt hat: „Was aus dem Menschen herausgeht, das ist es, was den Menschen verunreinigt“ (Mk 7,15). Für diejenigen, deren Herz durch Glauben gereinigt ist, sind Speisen rein, weil sie das Herz nicht berühren. Unser Herzenszustand nimmt uns von jeglicher Verunreinigung aus – selbst, wenn wir Dinge essen, die vom Gesetz verboten sind. Wir haben die Freiheit, zu essen, ohne Verunreinigung fürchten zu müssen. Also: Diejenigen, die durch Glauben Söhne und Töchter des Königs geworden sind, und alle, deren Herz durch Glauben gereinigt worden ist, sind von der Befolgung des Gesetzes befreit. Aber was ist mit allen andern? Gibt es noch andere, die als ausgenommen oder frei gelten können? Ja. Jüdische Menschen, die gestorben sind.

Die Theologie des Apostel Paulus: Freiheit durch Tod

Als ich ein Junge war, lernte ich bei einem Mann namens Rabbi Biegelisen. Er lehrte mich, Tefillin anzulegen. Er lehrte mich, die Gebete vor und nach der Torahlesung zu sprechen. Er lehrte mich, die Gebete vor und nach der Lesung der Haftorah (Propheten und Schriften) zu sprechen. Er nahm mich mit in die Synagoge. Er brachte mir für meine Bar Mitzwa bei, die Abschnitte aus Torah und Haftorah vorzutragen. Ich bin mir sicher, dass er nie etwas Unkoscheres gegessen hat. Ich bin mir sicher, dass er jeden Morgen Tefillin angelegt und gebetet hat. Ich bin mir sicher, dass er am Ende jeder Woche den Schabbat gehalten hat. Zwar habe ich ihn seit über vierzig Jahren nicht mehr gesehen; ich hege allerdings den Verdacht, dass er das Gesetz nicht mehr so peinlich genau befolgt. Ich vermute, dass er nicht länger koscher isst; und ich nehme an, dass er keine Tefillin mehr anlegt. Ja, ich gehe sogar davon aus, dass er auch den Schabbat nicht mehr hält. Und wenn ich richtig vermute, schilt ihn niemand für die Vernachlässigung dieser Dinge. Niemand klagt ihn an, er habe das Gesetz gebrochen. Wissen Sie warum? Weil ich annehme, dass Rabbi Biegelisen inzwischen gestorben ist. Ein jüdischer Mensch wird normalerweise in einem schlichten weißen Hemd ohne jedwede Verzierung begraben. Orthodoxe Männer werden jedoch oft in ihrem Tallit beerdigt. Allerdings wird dieser Tallit vor der Beerdigung unbrauchbar gemacht (z. B. zerschnitten). Warum? Weil der Tallit für das Gesetz oder das Joch des Gesetzes steht. Und indem wir den Tallit zerschneiden, sagen wir: Dieser Mann ist nicht länger verpflichtet, das Gesetz zu halten. Das wird nicht mehr von ihm erwartet. Er ist frei von dieser Verpflichtung, weil er tot ist. Von Verstorbenen wird nicht mehr verlangt oder erwartet, dass sie die Gesetze befolgen. Hören wir auf die Worte von Rav Schaul – dem Apostel Paulus: „Oder wisst ihr nicht, Brüder – denn ich rede zu denen, die Gesetz kennen –, dass das Gesetz über den Menschen herrscht, solange er lebt? Denn die verheiratete Frau ist durchs Gesetz an den Mann gebunden, solange er lebt; wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes. So wird sie nun, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin genannt, wenn sie eines anderen Mannes wird; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei vom Gesetz, so dass sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes wird. So seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Messias, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht bringen. Denn als wir im Fleisch waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz erregt wurden, in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen. Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, worin wir festgehalten wurden, so dass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens“ (Röm. 7,1-6). Zu wem spricht Paulus in diesem Abschnitt? Zu denjenigen, die das Gesetz kennen (V. 1). Also spricht er entweder zu uns Juden oder zu nichtjüdischen Proselyten. Was ist die Grundlage für seine Argumentation? Ein Gesetz besitzt nur so lange die Macht der Rechtsprechung über einen Menschen, wie er lebt (V. 1). Was ist die praktische und theologische Aussage? Jüdische Gläubige an Jeschua und gläubige Proselyten sind gestorben (V. 4). Als Ergebnis davon sind wir „losgemacht vom Gesetz“ (V. 6). Am 14. März 1977 bin ich gestorben. Und in diesem Augenblick meines Todes wurde ich ein zweites Mal geboren. Mein Tod befreite mich von meinen Verpflichtungen dem Gesetz des Mose gegenüber: einem Gesetz, das ich Zeit meines Lebens gebrochen hatte – das zu halten ich aber dennoch verpflichtet war. Und meine zweite Geburt stellte mich unter die Rechtsprechung eines neuen Gesetzes oder neuen Bundes. Als Verstorbener habe ich durchaus die Freiheit, Teile jenes Gesetzes auszuüben, an das ich einst gebunden und das zu befolgen ich verpflichtet war. Nirgendwo steht, dass ich damit aufhören muss. Nirgendwo heißt es, dass ich dem widerstehen müsse. Aber jegliche Einhaltung des Gesetzes ist nicht länger eine Verpflichtung. Die offizielle Rechtsprechung des Gesetzes über mich ist zu Ende.

Jegliche Beachtung ist nicht länger eine gesetzliche Pflicht, sondern eine freudige Entscheidung. Wenn wir nicht erfassen, dass wir im Augenblick unseres Glaubens gestorben sind – dann verstehen wir die Aussage nicht, wir seien von neuem oder von oben geboren.*

Losgemacht von jeglichem Gesetz?

Wir haben also die Freiheit, von der Befolgung des Gesetzes abzusehen, weil wir gestorben sind. Heißt das, dass wir ein gesetzloses Leben führen und tun dürfen, was immer wir wollen? Nein, ganz und gar nicht. Wir stehen jetzt unter der Rechtsprechung des neuen Bundes. Uns ist geboten, die Verordnungen dieses Bundes durch die Vollmacht des Geistes zu befolgen. In 1. Korinther 9,21 beschreibt Paulus seine Erfahrungen im Leben unter Nichtjuden. Dort lebte er „wie einer ohne Gesetz“; doch er schränkt sofort ein: „…obwohl ich nicht ohne Gesetz vor Gott bin, sondern unter dem Gesetz des Messias.“ Wir sind keinesfalls Gesetzlose. Wir stehen unter dem Gesetz des Messias, unter dem neuen Bund. Und dieses Gesetz ist sogar noch strenger als jenes, das Gott durch Mose gegeben hat. Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen den beiden Gesetzen. Beispielsweise sagen beide, dass wir nicht töten, stehlen, lügen, Ehebruch oder Unzucht begehen noch jegliche Art von Götzendienst betreiben dürfen. Aber wenn wir diesen Geboten gehorchen und von diesen Dingen absehen, tun wir das nicht, weil wir das Gesetz des Mose befolgen. Wir tun es, weil wir dem Gesetz des Messias gehorchen – dem neuen Bund.

Also…

Was ist unsere Beziehung zum Gesetz des Mose? Dürfen wir das Gesetz befolgen? Ja! Ich wünschte, die Worte auf dieser Seite könnten der Begeisterung meines Herzens Ausdruck geben. Ist es gut, das Gesetz des Mose zu befolgen? Noch einmal ja. Sollten wir das Gesetz lehren und studieren? Auf jeden Fall. Jeschua hat gesagt: „Wer sie [die Gebote] tut und lehrt, dieser wird groß heißen im Reich der Himmel“ (Mt 5,19). Dürfen wir das Gesetz für nichtig erklären und sagen, es bestehe nicht mehr, diene seinem Zweck nicht mehr oder habe für uns heute keinerlei Relevanz? Nie und nimmer! Wieder ist es Jeschua selbst, der uns vor einer dermaßen beklagenswerten Verachtung des Gesetzes warnt. „Wer nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und so die Menschen lehrt, wird der Geringste heißen im Reich der Himmel.“ Aber MÜSSEN wir als Gläubige an Jeschua den Buchstaben des Gesetzes halten? Nein. Und dürfen wir als Gläubige an Jeschua andere Gläubige lehren, dass wir und sie das Gesetz halten MÜSSEN? Noch einmal nein.

Einige Gründe für die Entscheidung, das Gesetz zu befolgen

Soeben habe ich geschrieben: „Dürfen wir das Gesetz befolgen? Ja!“ Es gibt einige Gründe, um zu unterstreichen: Es ist gut, wenn wir weiterhin als das leben, was wir sind – als Juden. Erstens ist es vollkommen in Ordnung, als Juden zu leben. Nirgends im Neuen Testament finden wir einen Hinweis darauf, dass die ersten Gläubigen aufgehört hätten, als Juden zu leben (z. B. Apg 21,17-26). Es scheint nur zwei Einschränkungen zu geben. Wir können entscheiden, das Gesetz zu halten. Nur sollte das kein Grund sein, – der die Überschreitung kultureller Grenzen verbietet, um Nichtjuden das Evangelium zu bringen (Apg 10-11); – der Gemeinschaft mit nichtjüdischen Gläubigen behindert (Gal 2,11-14).
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Es ist nützlich, als Juden zu leben. Wenn wir das Gesetz verstehen und seine Zeremonien halten, kann das unser Verständnis von Gottes Wesen vertiefen und unsere Anbetung für ihn bereichern. Schließlich spiegelt sich sein Wesen wahrhaftig in den Satzungen und Ordnungen, die er gegeben hat (Ps 19,8-12). Es ist nützlich zur Evangelisation, als Juden zu leben (1Kor 9,20). Ein jüdischer Lebensstil ist ein anhaltendes Zeugnis für unsere ungläubigen Brüder und Schwestern. Wir zeigen, dass wir unser jüdisches Erbe, unsere Kultur und unser Volk nicht hinter uns gelassen haben. Ein jüdischer Lebensstil bietet uns eine dauerhafte Plattform, um das Evangelium darzustellen. Das Evangelium ist nämlich in allen Aspekten des Gesetzes (und vor allem in den Festen) deutlich erkennbar. Es schickt sich, als Juden zu leben: Im Lichte der ewigen Auserwählung Israels durch Gott. Gott hat sein jüdisches Volk weder verworfen noch hat er die Berufung zurückgenommen, die er uns gegeben hat: ein Licht für die Nationen zu sein. Dieses Missionsmandat beauftragt uns, das Evangelium in die Welt zu tragen. Die Auswirkung dieser Berufung scheint eine unveränderte jüdische Identität unsererseits vorauszusetzen. Ja, in unseren Tagen lenkt die Existenz vieler messianischer Juden die Aufmerksamkeit auf das Evangelium und erregt das Interesse von Menschen, die andernfalls jegliche Verkündigung der Guten Botschaft ignorieren würden. Wenn wir Juden das Evangelium als Juden verkünden, wird das von allen bemerkt! Wenn wir aufrichtig glauben, dass Gott in seiner letzten Welle der Weltevangelisation eine Missionsnachhut aus 144.000 Juden anstellen wird, können wir durchaus davon ausgehen, dass unsere anhaltende Identifikation als Juden wichtig ist. Aus evangelistischen Gründen hat Gott die Bedeutung unserer jüdischen Identität nicht vermindert; daher sollten wir es auch nicht tun. Es ist gesund für den „Leib Christi“, wenn wir als Juden leben. Eine Kirche, die sich von ihren jüdischen Wurzeln geschieden hat und einer inneren jüdischen Stimme beraubt ist, ist eine schwache Kirche. Sie hat keine Verbindung mehr zum kulturellen Kontext, in dem unser Herr sich der Welt offenbart hat. Das sind Gründe für die Entscheidung, weiterhin als Juden zu leben. Sicher könnten noch viele hinzugefügt werden. Die Schlüsselworte sind allerdings „Entscheidung“ und „Freiheit“. Wie ich bereits gefragt habe – MÜSSEN wir als Gläubige an Jeschua den Buchstaben des Gesetzes halten? Nein. Und dürfen wir als Gläubige an Jeschua andere Gläubige lehren, dass wir und sie das Gesetz halten MÜSSEN? Noch einmal nein. Nun denn, wie können wir wissen, was wir wann tun sollen? Dem Herrn sein Dank: Der Heilige Geist hat uns durch den Apostel Paulus Richtlinien gegeben. Zu unserem Glück verstand der Apostel das Gesetz besser als jeder von uns. Hören wir also auf das, was er sagt. Und rufen wir uns in Erinnerung, dass seine Worte nicht nur voll von Wissen und Erfahrung sind; sie sind vom Geist Gottes inspiriert.

Einige Prinzipien aus Römer 14

Nehmt einander an

Als erstes schreibt Paulus, dass wir einander annehmen sollen, anstatt einander zu richten oder zu verachten. „Den Schwachen im Glauben aber nehmt auf, doch nicht zur Entscheidung zweifelhafter Fragen! Einer glaubt, er dürfe alles essen; der Schwache aber isst Gemüse. Wer isst, verachte den nicht, der nicht isst; und wer nicht isst, richte den nicht, der isst! Denn Gott hat ihn aufgenommen“ (Röm. 14,1-3).

Am Anfang dieses Artikels habe ich es bereits erwähnt: Der Kern der Bedeutung von rein oder „koscher“ ist die Vorstellung, für Gott annehmbar und von ihm angenommen zu sein. Uns ist also nicht nur geboten, einander anzunehmen. Nein, wir werden gedrängt und inständig gebeten, einander als rein zu betrachten: als koscher und annehmbar, weil Gott uns alle für annehmbar und koscher erklärt hat. Und auf welcher Grundlage hat er uns „koscher“ gemacht und für rein erklärt? Nicht wegen dem, was wir essen oder nicht essen, sondern weil er uns die Kleider seines eigenen Heils angezogen und uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit seines Sohnes bekleidet hat!

Seid völlig überzeugt

Als nächstes schreibt Paulus: „Der eine hält einen Tag vor dem anderen, der andere aber hält jeden Tag gleich. Jeder aber sei in seinem eigenen Sinn völlig überzeugt! Wer den Tag beachtet, beachtet ihn dem Herrn. Und wer isst, isst dem Herrn, denn er sagt Gott Dank; und wer nicht isst, isst dem Herrn nicht und sagt Gott Dank“ (V. 5-6). In diesen Versen gibt Paulus offensichtlich Beispiele von beiden Seiten. Er nennt diejenigen, die essen, und diejenigen, die nicht essen; diejenigen, die einen bestimmten Tag halten (wahrscheinlich den Sabbat), und diejenigen, die das nicht tun. Paulus gibt keinem von beiden Recht und keinem von beiden Unrecht. Er sagt jedoch, dass jeder Mensch völlig von dem überzeugt sein soll, was der Herr von ihm möchte. Und in Vers 22 wiederholt und verstärkt er seine Aussage mit den Worten: „Hast du Glauben? Habe ihn für dich selbst vor Gott!“ Eine derartige Sicherheit kann nicht dadurch kommen, dass man einem bestimmten Satz vorgeschriebener Regeln folgt. Sie entsteht nur durch die Pflege eines immer engeren Wandels mit dem Herrn. Auf diesem Weg haben wir gelernt (und lernen weiterhin), die Stimme des Heiligen Geistes zu hören und den Willen des Herrn zu verstehen. Aber dies lernen wir schrittweise und unvollkommen. Vielleicht gebietet uns der Herr, „flexibel“ zu sein (wie er es in Apostelgeschichte 10 Petrus geboten hat). Somit gibt es zwei weitere Gründe für uns, andere nicht zu richten, mit denen wir vielleicht nicht übereinstimmen.

Gebt keinen Anstoß und kein Ärgernis

Weiterhin unterweist uns Paulus: „Lasst uns nun nicht mehr einander richten, sondern haltet vielmehr das für recht, dem Bruder keinen Anstoß oder kein Ärgernis zu geben“ (V. 13). Diese Mahnung richtet sich vor allem an diejenigen, die zwar ihre Freiheit zur Einhaltung oder Nicht-Einhaltung des Gesetzes begreifen – diese Freiheit jedoch tragischerweise auf eine Art zur Schau stellen, die andere zum Stolpern bringt. Paulus erklärt: „…Denn wenn dein Bruder wegen einer Speise betrübt wird, so wandelst du nicht mehr nach der Liebe. Verdirb nicht mit deiner Speise den, für den Christus gestorben ist! Lasst nun euer Gut nicht verlästert werden“ (V. 15-17). Paulus benutzt sogar eine noch deutlichere Ausdrucksweise, wenn er uns davor warnt, ein Ärgernis zu erregen: „Alles zwar ist rein, aber es ist böse für den Menschen, der mit Anstoß isst … Glückselig, wer sich selbst nicht richtet in dem, was er gutheißt“ (V. 20.22). Dieses Prinzip („keinen Anstoß erregen“) ist auch die Grundlage für Jeschuas Worte an Petrus in Matthäus 17,26-27: „Demnach sind die Söhne frei. Damit wir ihnen aber kein Ärgernis geben, geh an den See, wirf eine Angel aus und nimm den ersten Fisch, der heraufkommt, öffne sein Maul, und du wirst einen Stater finden; den nimm und gib ihnen für mich und dich!“

Eine wichtige Warnung

Die ersten drei Verse in Römer 14 ermahnen uns, einander nicht zu richten. Warum nicht? Weil wir vom Herrn selbst angenommen sind. UND weil wir nicht das Recht haben, einander zu richten. Im vierten Vers erklärt Paulus: Nur der Herr eines Knechtes hat das Recht, über ihn zu urteilen. Das ist also niemand anders als unser Herr selbst. „Wer bist du, der du den

Hausknecht eines anderen richtest? Er steht oder fällt dem eigenen Herrn. Er wird aber aufrecht gehalten werden, denn der Herr vermag ihn aufrecht zu halten“ (V. 4). Diese Warnung wird durch eine ernste Erinnerung verstärkt. „…Was verachtest du deinen Bruder? Denn wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden“ (V. 10).

Der Größte von ihnen allen…

Grundlegend für all diese Prinzipien, Ermahnungen und Warnungen ist der größte aller Grundsätze: das Prinzip der Liebe. „Seid niemand irgendetwas schuldig, als nur einander zu lieben! Denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn das: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren, und wenn es ein anderes Gebot gibt, ist in diesem Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Die Erfüllung des Gesetzes ist also die Liebe“ (Röm 13,8-10; s. a. Gal 5,13.14). ** Mit all seinen Lehren in Römer 14 möchte Paulus nicht etwa beweisen, wer Recht bzw. Unrecht hat. Vielmehr stammen sie aus seiner brennenden Liebe und väterlichen Besorgnis um diejenigen, die Schaden erleiden könnten. Was ist für uns nötig, damit wir uns weniger um Rechthaberei kümmern als darum, alles in Liebe zu tun? Wenn wir mit der Liebe des Vaters liebten, würden wir tun, was richtig ist.

Hat Gott also seine Meinung über das Gesetz des Mose geändert? Nein!

Das Wesen des Gesetzes bleibt bestehen. Es ist heilig, gerecht und gut. Der Zweck des Gesetzes bleibt bestehen. Eingeschlossen ist die zentrale Absicht, uns unserer Sünden zu überführen und uns zum Glauben an Jeschua zu bringen. Das Gesetz besteht weiterhin. Es wird weiterhin seine „Arbeit“ tun, bis Himmel und Erde vergehen und „alles vollendet wird“. Das Gesetz ist weiterhin gültig. Es ist weiterhin bindend für jeden lebenden jüdischen Menschen, der noch nicht zum Glauben an Jeschua gekommen ist. Es gilt auch für jeden zum Judentum übergetretenen Menschen, der noch nicht an Christus glaubt. Die Freiheit vom Gesetz bleibt bestehen. Diese Freiheit gehört all denjenigen, die gestorben und von neuem geboren worden sind; all denjenigen, die in den neuen Bund eingetreten sind und unter der Rechtsprechung dieses neuen Bundes leben. In dieser Freiheit kann man das mosaische Gesetz einhalten, ohne dazu verpflichtet zu sein. In dieser Freiheit kann man sich auch entscheiden, das Gesetz nicht zu halten: vor allem, um kulturelle Barrieren zu überwinden und so das Evangelium zu anderen zu bringen. Paulus hatte das verstanden, und das hatte Auswirkungen auf die Weltgeschichte! „Denn obwohl ich allen gegenüber frei bin, habe ich mich allen zum Sklaven gemacht, damit ich so viele wie möglich gewinne. Und ich bin den Juden wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne; denen, die unter Gesetz sind, wie einer unter Gesetz – obwohl ich selbst nicht unter Gesetz bin –, damit ich die, welche unter Gesetz sind, gewinne; denen, die ohne Gesetz sind, wie einer ohne Gesetz – obwohl ich nicht ohne Gesetz vor Gott bin, sondern unter dem Gesetz des Messias –, damit ich die, welche ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige errette“ (1Kor 9,19-22).

Zurück zu Petrus’ Dilemma – Apostelgeschichte 10

Warum hat Jeschua die Beschränkungen bezüglich Gemeinschaft und gemeinsamem Essen mit Nichtjuden aufgehoben? Damit Nichtjuden das Evangelium von jüdischen Lippen hören und gerettet werden können. Warum schreckte Petrus anfangs vor der Aufhebung dieser Schranken zurück? Möglicherweise hatte er nie erwartet, außerhalb seines eigenen jüdischen Umfelds wirken zu müssen. Zwar hatte er Jeschuas Worte an die Jünger gehört, in alle Welt zu gehen und alle Völker zu lehren. Doch möglicherweise hatte er angenommen, dass dieser Ausdruck „alle Völker“ sich einfach auf die Menschen bezog, die zuerst zum Judentum übergetreten waren. Doch als Gott ihm in Apostelgeschichte 10 seinen Willen erklärte, gehorchte Petrus und brachte das Evangelium zu Kornelius und allen Menschen in dessen Haus. Gott sei Lob und Dank dafür, dass Petrus’ Hingabe an seinen jüdischen Lebensstil nicht schwerer wog als seine Bereitschaft zum Gehorsam. Können wir von uns selbst das gleiche sagen? Oder bedeutet uns unser jüdischer Lebensstil mehr als die Rettung anderer Völker? Wenn wir uns durch unseren Lebensstil davon abhalten lassen, die Botschaft des ewigen Lebens zu anderen zu bringen, dann leben und handeln wir nicht in Liebe.

Einige Schlussgedanken

Ich bin Jude. Ich wurde als Jude geboren. Ich wurde als Jude erzogen. Ich lebe weiterhin als Jude; ja, meine jüdische Identität ist mir wichtiger und bedeutender geworden, seit ich 1977 zum Glauben an Jeschua kam. Als Jude, der in einem koscheren Zuhause aufgewachsen ist, kann ich mit absoluter Sicherheit sagen: Wir werden nicht koscher oder annehmbar durch das, was wir essen. Auch nicht dadurch, welchen Tag wir absondern. Wir werden koscher und annehmbar, wenn wir durch eine neue Geburt gereinigt sind. Und die Reinheit unseres Herzens zeigt sich durch die Tiefe unserer Liebe. Wenn einige von Ihnen in meinen Worten Verachtung oder mangelnden Respekt vor dem Gesetz zu lesen glauben, irren Sie sich. Sie haben bewusst eine Verachtung in meine Worte hineingelesen, die dort nicht vorhanden ist. David liebte das Gesetz, und das sollten wir auch tun. Paulus verstand Wesen und Absicht des Gesetzes. Indem er die Absicht und Gültigkeit des Gesetzes klar gemacht hat, wandte er sich nicht gegen das Gesetz. Er hat es bestätigt. Und das sollten auch wir tun. Wenn Sie das Gesetz links liegen lassen oder für unbedeutend und irrelevant halten, ignorieren Sie freiwillig eine Mine, in der ein Gutteil vom besten geistlichen Erz für unser Leben verborgen liegt. Einige Menschen sind zu folgender Entscheidung gekommen: Der Kernpunkt sei doch, ob es eine Sünde ist oder nicht, wenn wir als Gläubige an Jeschua das Gesetz nicht halten. Wenn Sie das als den Kern der Sache identifiziert haben, haben Sie die Frage schon beantwortet. Oder vielmehr hat Paulus es für Sie getan. „Ich weiß und bin überzeugt in dem Herrn Jesus, dass nichts an sich unrein ist; nur dem, der etwas als gemein ansieht, dem ist es unrein … Wer aber zweifelt, wenn er isst, der ist verurteilt, weil er es nicht aus Glauben tut. Alles aber, was nicht aus Glauben ist, ist Sünde“ (Röm 14,14.23) Wenn Sie Ihre Freiheit bezweifeln und die Angelegenheit für Sie eine offene Frage ist – dann essen Sie um jeden Preis nur koscher, halten Sie nur den Sabbat, und befolgen Sie weiterhin das Gesetz. Es ist Sünde, Ihre Freiheit mit Zweifel auszuüben. Aber Sie liegen völlig falsch, wenn Sie mir sagen, ich dürfe meine Freiheit nicht ausüben; jene Freiheit, von der ich mit Gewissheit weiß, dass der Herr sie mir gegeben hat: das Gesetz zu befolgen oder davon abzusehen – abhängig davon, was besser für den Gläubigen ist, den

ich segnen möchte; abhängig davon, was besser ist für den Ungläubigen, den ich erreichen möchte. Gott hat uns vom Gesetz befreit – vor allem, damit wir Zugang zu den Menschen haben, die er erreichen möchte. Wenn wir vor dieser Vorstellung zurückschrecken, müssen wir daran denken, was Gott in Apostelgeschichte 10 zu Petrus gesagt hat: „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein.“ Vielleicht sind wir dann wie Petrus einen Moment lang versucht, dem Herrn zu sagen: „Keineswegs, Herr!“ Dann würde uns wohl die Erinnerung an das gut tun, was Petrus später begriffen hat: „Wer war ich, dass ich dem Herrn wehren sollte?“

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Anmerkungen:

* Ich möchte einen Einwand erheben und beantworten. In Römer 6 spricht Paulus ebenfalls von unserem Tod. Er erklärt: Wenn wir gestorben sind, sollten wir frei von Sünde leben. „…Unser alter Mensch ist mitgekreuzigt worden, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen. Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde“ (Röm 6,6-7). Es ist doch vielleicht möglich, dass die von Paulus in Römer 7,1-6 beschriebene Freiheit nicht das Ausgenommensein von der Befolgung des Gesetzes meint. Wird hier nicht eine Freiheit beschrieben, die vermeidet, dass bei der Befolgung des Gesetzes die Sünde zu mächtig wird? Vielleicht sagt Paulus ja gar nicht, dass wir das Gesetz nicht mehr halten müssen. Vielleicht sagt er ja nur, dass wir jetzt das Gesetz sündlos befolgen können. Tatsächlich können wir jetzt das Gesetz befolgen, ohne dass gerade diese Befolgung größere Sünde verursacht. Bevor wir Gottes Geist empfangen haben, hatten wir diese Fähigkeit nicht. Deshalb führte die Befolgung des Gesetzes nur zu größerer Sünde (obwohl das Gesetz heilig, gerecht und gut ist). Oder, wie Paulus es formuliert: „Denn die Sünde ergriff durch das Gebot die Gelegenheit, täuschte mich und tötete mich durch dasselbe“ (Röm. 7,11). Das ist aber nicht die Aussage, die Paulus in Römer 7,1-6 macht. Er spricht nicht über unsere Freiheit von Sünde (Röm 6,6-7). Vielmehr hat er sich jetzt dem Thema zugewandt, dass wir von der Rechtsprechung des Gesetzes und der Verpflichtung befreit sind, es zu befolgen. Die Ausdrucksweise in Römer 7,1-6 macht das deutlich. Beispielsweise sagt Paulus: „Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht [nicht von der Auswirkung des Gesetzes; auch nicht von der Sünde, die aus dem Versuch entsteht, das Gesetz zu halten], da wir dem gestorben sind, worin wir festgehalten wurden, so dass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens“ (Röm. 7,6). Der „Buchstabe“ bezieht sich auf das geschriebene Gesetz. Wir sind befreit worden, damit wir nicht länger nach dem Buchstaben des Gesetzes dienen, sondern nach dem Geist. Wenn Paulus hier nicht sagt, dass wir frei von der Verpflichtung sind, das Gesetz zu halten – dann würden seine Lehren in Römer 14 überhaupt keinen Sinn machen.

** Ausübung oder Befolgung des Gesetzes und Erfüllung des Gesetzes

Hier gibt es einen wichtigen Unterschied. Einerseits ist da die Entscheidung, das Gesetz auszuüben oder zu befolgen; andererseits ist da die Verpflichtung, das Gesetz zu erfüllen. Wir haben die Freiheit, das Gesetz zu befolgen oder das nicht zu tun. Aber wir haben die Verpflichtung, das Gesetz zu erfüllen – ob wir nun den Buchstaben des Gesetzes einhalten oder nicht. Wie können wir zur Erfüllung und nicht auch gleichzeitig zur Ausübung verpflichtet sein? Nun, wir müssen zwei Dinge über die „Erfüllung“ des Gesetzes verstehen.

1. Einerseits ist das Gesetz zu unseren Gunsten erfüllt worden, aber nicht von uns. Jeschua hat es für uns getan. Er hat die Anforderungen der Satzungen des Gesetzes auf vollkommene Weise für uns erfüllt. Er hat die Gerechtigkeit des Gesetzes erfüllt und befriedigt, indem er die Strafe auf sich genommen hat, die unsere Sünden verdient hatten. So erfüllen wir in gewissem Sinn das Gesetz, wenn wir die von Jesus zu unseren Gunsten vollbrachte Zahlung und Befriedigung des Gesetzes in Anspruch nehmen. Auf diese Weise erfüllen wir durch ihn voll und ganz, was das Gesetz von uns verlangt. Wir tun es nur nicht selbst. 2. Andererseits bemühen wir uns, das Gesetz Schritt für Schritt zu erfüllen. Wir lernen nämlich, den Herrn zu lieben: mit unserem ganzen Herzen, unserem ganzen Verstand, unserer ganzen Seele und all unserer Kraft – und unseren Nächsten wie uns selbst. Denn wie Jeschua erklärt hat: „An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten“ (Mt 22,40). Sowohl Paulus als auch Jakobus bestärken diese Wahrheit (Röm 13,10; Jak 2,8). 3. Und schließlich kann man das Gesetz schlicht und einfach gar nicht erfüllen, indem man den „Buchstaben“ des Gesetzes einhält. Das wird aus Jeschuas Worten deutlich: „Wenn nicht eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer weit übertrifft, so werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen“ (Mt 5,20). Ganz klar: Niemand von uns kann die Gerechtigkeit der Pharisäer durch die wortwörtliche Befolgung des Gesetzes übertreffen. Erstens sind da all die Opfergebote. Die Pharisäer konnten sie erfüllen, aber für uns heute ist das unmöglich. Und zweitens kann man ihrer im wahrsten Sinne des Wortes haargenauen Einhaltung kaum gleichkommen, geschweige denn sie übertreffen. Nur auf eine einzige Art kann ein Mensch die Gerechtigkeit der Pharisäer übertrumpfen: durch den Glauben, dass Jeschua für uns das Gesetz erfüllt hat; und dadurch, dass wir den Herrn mit unserem ganzen Sein lieben (und unsere Nächsten wie uns selbst).