Erzählen Sie mir von Ihrer Kindheit!

Ich wurde 1932 in Belarus geboren. Meine Eltern waren religiös; sie kannten Gott. Mein Vater war Rabbi und hatte fünf Jahre lang den Auftrag, im Gefängnis die Beschneidungsrituale zu leiten. Mein Vater nahm mich immer in die Synagoge mit, aber ich verstand dort nichts. Ich verstand nur Jiddisch. Mein Vater betete immer vor den Mahlzeiten: „Segne du uns, Herr, unser Gott!“ Dann tauchte er Brot in Salz, und dann durften wir essen.

Ich fragte meinen Vater: „Wo ist Gott? Wer ist dieser Gott?“ Und jedes Mal antwortete Vater: „Er ist im Himmel.“ Und ich würde weiter fragen: “Warum ist Er dort?“ Und mein Vater würde scherzhaft antworten: „Er wurde so hoch geworfen.“ Ich war sehr neugierig, herauszufinden, wie er in den Himmel gelangt war! Wenn meine Mutter mich allein zu Hause ließ, als ich noch klein war, pflegte sie meine Hand an mein Bett zu binden und zu sagen: „Gott segne dich und beschütze dich!“

Im Zweiten Weltkrieg befanden wir uns in der Stadt Romny (im Gebiet Sumy). Ich erinnere mich an das furchtbare Brummen von Bombenfliegern und an die Explosionen von Bomben. Menschen liefen in die Felder hinaus, Russen, Juden. Einige Russen bekreuzigten sich. Ich war neun. Ich fragte meine Mutter: „Was tun sie? Wird ihr Gott sie beschützen?“ – „Ja“, sagte meine Mutter.

Wann erkannten Sie, dass es Gott wirklich gibt?

Wir waren sehr arm. Ich hatte nie eine Puppe gehabt. Einmal, als wir im Ghetto lebten und gelbe Sterne tragen mussten, dachte ich: „Wenn es da einen Gott gibt, dann mache es, dass meine Freundin Julia mir eine Puppe schenkt. Und wenn es keinen Gott gibt, dann werde ich es wissen, weil mir niemand eine Puppe schenkt.“ Als ich Julia das nächste Mal sah, fragte sie mich: „Zina, hättest du gerne eine Puppe?“ – „Woher würde ich eine Puppe bekommen?“ Ich wunderte mich laut und sie antwortete: „Oh, ich kann dir meine geben.“ Von dem Augenblick an war ich überzeugt, dass es Gott wirklich gibt.

Als die Nazis uns alle aus Romny vertrieben, um uns zu erschießen, sahen wir keinen Ausweg. Mancher verlor dort auf dem Weg den Verstand, mancher wurde von den Soldaten zusammengeschlagen; es ist schwer, an das alles zurückzudenken. Wir wurden von den Nazis mit Hunden bewacht. Vor uns lag ein Zaun, eine elektrische Anlage. Ich betete: „Gott, wenn es dich gibt, bewahre mich vor dem Tod! Ich werde mein ganzes Leben lang an dich glauben!“ Plötzlich packte meine 13 Jahre alte Schwester Sarah meine Hand und wir rannten zum Zaun. Dann trat sie mit ihrem Fuß gegen den Zaun und auf wunderbare Weise löste sie zwei Bretter gleichzeitig. Dann sprangen wir ins Gebüsch und krochen. Unsere Hände waren aufgerissen und blutig, aber wir durften nicht schreien. Wenn uns jemand gehört hätte, wären wir erschossen worden.

Wer half Ihnen und Ihrer Schwester beim Verstecken?

Nach dem 25. Dezember, als die Nazis überall umherstreiften, mussten wir um die Dörfer herumschleichen und betteln. Der Frost biss, die Temperatur lag bei minus 40 Grad. Manchmal durften wir in einem Haus schlafen, manchmal in einer Scheune, manchmal fanden wir einfach ein leeres Gebäude. Schließlich brachte mich meine Schwester in ein Haus und sagte, wir müssten uns getrennt retten. So trennten wir uns. Ich lag im Schnee und weinte, ich war sehr müde. Ein alter Mann fand mich und nahm mich mit in sein Haus. Seine Frau war darüber nicht sehr glücklich. „Oh, sie ist eine Jüdin“,sagte sie, aber der Mann beharrte: „Wir haben drei Söhne an der Front. Gott wird sie alle retten um des Wohles dieses Kindes willen!“

Durch wen hörten Sie das erste Mal von Jesus?

Ich wechselte dauernd die Unterkünfte. Ich blieb bei Gläubigen und Ungläubigen, bei Russisch-Orthodoxen und bei Baptisten. 1942 blieb ich bei einer Familie von Baptisten, und sie erzählten mir von Gott.

Haben Menschen Sie jemals an die Nazis verraten?

Nur einmal. Die Deutschen hatten angekündigt: „Wer auch immer uns einen Juden ausliefert, der bekommt einen Mantel kostenlos.“ Und Kleidung zu bekommen, war damals kostbar. So packte mich eine Frau und sagte: „Ich werde einen Mantel für dich bekommen!“ Sie schleifte mich geradewegs zum deutschen Kommandanten, aber anstatt ihr einen Mantel zu geben, nannte der Kommandant sie ein schmutziges Schwein. Dann sah er mich an und sagte: “Kinder, Kinder!“

Sobald er sich für einen Moment wegdrehte, sprang ich aus einem offenen Fenster und lief weg. Der Herr hatte mich beschützt.

Irgendwann im Jahr 1943 fingen die Nazis mich, und ich wurde abgeführt, um erschossen zu werden. Ich trug ein Stück Brot in meinen Händen. Als ich meine Hände hob, hielt ich das Brot in der einen Hand. Die Deutschen dachten, es sei eine Handgranate und fielen zu Boden. Während sie noch überlegten, was zu tun sei, rannte ich weg. Wieder hatte mich der Herr gerettet. Der Herr rettete mich vor Bomben, vor Erschießungen, vor dem Verhungern, vor allem.

Wie kamen Sie dazu zu glauben, dass Jesus der Messias ist? Wie wurden Sie versöhnt mit Gott?

Nach dem Krieg zog ich nach Charkow. Dort hatte ich zweimal denselben Traum: Das Land unter meinen Füßen brennt, ein Auto bewegt sich und Menschen werden hineingeworfen. Ich rief: „Herr, vergib mir, ich bin nicht bereit!“ Dann kam eine alte Frau auf mich zu und sagte: „Die Zeit ist gekommen, das Königreich Gottes ist nahe. Tu Buße und glaube an die Gute Botschaft!“

Nachdem ich diesen Traum zum zweiten Mal hatte, fand ich keine Ruhe mehr. Die Worte „Die Zeit ist gekommen, das Königreich Gottes ist nahe. Tu Buße und glaube an die Gute Botschaft!“ klangen weiter in meinen Ohren. Damals hatte ich die Bibel noch nicht gelesen und wusste nichts von ihrem Inhalt. Dann begann meine Hauswirtin mich unerwartet zu drängen, Menschen aufzusuchen, die an Jesus glaubten.

So fand ich Gläubige und teilte ihnen meine Träume mit. Sie nahmen mich auf und riefen: „Kind, Gott ist es, der dich ruft!“ Einer von ihnen öffnete seine Bibel und las Markus 1,15 vor – genau die Worte, die ich in meinen Träumen gehört hatte! So schloss ich mich diesen Gläubigen an und nahm Jesus aufrichtig als meinen Herrn an und bat Ihn darum, in mein Herz zu kommen. Das war 1952, als ich 20 Jahre alt war. Seitdem habe ich dem Herrn beständig gedient.

Als Sie die Evangelien lasen und Predigten über Jesus hörten, fühlten Sie sich gehindert dadurch, dass Sie Jüdin sind?

Das hat mich nie gehindert! Aber ich stand anderen Hindernissen gegenüber. Ich lehnte es ab, mich der kommunistischen Jugendorganisation „Komsomol“ anzuschließen. Dafür war ich schon aus meinem Wohnheim hinausgeworfen worden. Aber Gott gab mir die Kraft, in meinem Glauben fest zu bleiben. Einer meiner Vorgesetzten auf der Arbeit war Kovalzon, ein Jude. Er hatte den Auftrag, so auf mich einzuwirken, dass ich meinen Glauben aufgeben würde. Darum erklärte ich ihm: „Wenn Gott mich gerettet hat, warum sollte ich Ihn verleugnen?“ Kovalzon verschaffte mir eine Menge Ärger, aber später bat er mich ganz insgeheim um eine Bibel: „Ich möchte sehen, was es mit deiner Wahrheit wirklich auf sich hat“, teilte er mir mit. „Darf ich mir für ein paar Tage eine Bibel ausleihen? Ich schwöre dir als Kommunist, dass ich sie dir zurückgebe!“ Ich gab ihm eine Bibel, und dann fastete und betete ich drei Tage lang für ihn.

Wie lasen Sie die Bibel? Haben Sie sie verstanden, wo es doch ein jüdisches Buch ist?

Jemand erzählte mir einmal, dass man beim Anstreichen eines Hauses oben beginnt. Darum sei es das Beste, auch mit dem Lesen der Bibel an der Spitze zu beginnen, bei den Evangelien. Danach las ich die ganze Bibel. Ich hatte eine Menge Fragen. Zum Beispiel pflegte ich zu fragen, warum Salomo 700 Frauen hatte. War das nicht eine Sünde?!

Wie versorgte Gott Sie weiter?

Gott segnete mich, und ich heiratete einen Gläubigen, acht Jahre, nachdem ich mein Leben Jesus übergeben hatte. Das war eine sehr schwere Zeit in unserem Leben, als wir nichts zu essen hatten. Ich konnte mich nur auf Gott verlassen. Wenn meine Kinder nach Essen fragten, dann forderte ich sie auf, niederzuknien und zu beten, dass Gott schicken möge, worum wir Ihn bitten. Einmal, als wir um Essen beteten, kam eine andere Gläubige mit etwas Nahrung vorbei. Sie sagte: „Ich hörte immer wieder ein Flüstern: ‚Geh zu Zina, geh zu Zina!“ Oh, wie dankten wir da dem Herrn!

Ich konnte mein ganzes Leben lang spüren, wie Gott mich bewahrte und mir half. Ich zweifle nicht, dass Jesus Gottes Sohn ist und dass der, der an Jesus glaubt, ewiges Leben hat. Jesus sagte: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und „ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen.“ (Matth. 11, 28-29)

Die Nazis töteten Ihre Familienmitglieder, während Sie überlebten und zum Glauben an Jesus kamen. Wie würden Sie jene jüdischen Menschen ermutigen, die ihre Angehörigen ebenfalls im Holocaust verloren haben und deswegen auf Gott zornig sind oder nicht einmal über Ihn nachdenken wollen?

Ich würde sie zur völligen Hinwendung zum Herrn ermutigen. Viele Juden – nicht nur ich – fanden während und nach diesen schrecklichen Zeiten Jesus, den Messias.

Ist irgendeiner Ihrer jüdischen Freunde auch zum Glauben an Jesus als den Messias gekommen?

Meine Freundin Toibeh Weizmann kehrte auch als eine Gläubige aus der Evakuierung zurück.

Und 1977 fand ich meine Schwester Sarah durch ein Radioprogramm, das half, verlorene Angehörige aufzufinden. Sie hatte auch überlebt und war zum Glauben an Jesus als ihren Retter gekommen!

Viele Juden haben den Herrn kennengelernt und folgen Ihm mit Freude. Aber es gibt auch solche, die Jesus annehmen und später ängstlich werden. Sie scheinen weiterhin zu glauben, aber heimlich. Was würden Sie denen sagen?

Jesus (Jeschua), der Messias, Gottes Sohn, stammt aus unserem Volk! Wir sollten an Ihn glauben und Ihn lieben. Gott wird ganz sicher die Juden annehmen, die durch Jesus zu Ihm umkehren! Gott wendet sich gerade jetzt den Juden zu wie zu Seinem erstgeborenen Sohn. Und die Menschen sollten die Juden lieben – es ist eine große Sünde und ein Problem für solche, die die Juden verachten. Solche Menschen werden bestraft werden, so wie es in der Bibel geschrieben steht: „Wer euch antastet, der tastet Seinen Augapfel an“ (Sacharja 2,12).

Wie behandelt Ihre Kirche die Juden?

Wohin ich auch komme, haben unsere Kirchen eine große Liebe für das jüdische Volk. Während meiner ganzen Jahre in der Kirche kann ich mich nur an eine Frau erinnern, die gegen die Juden geredet hat, aber sie wurde exkommuniziert. Und überall, wohin ich kam, fühlte ich die Liebe, die mir als Jüdin entgegengebracht wurde.

Einmal zu Ostern geschah etwas Interessantes: Wir waren zusammengekommen, um mit anderen Gläubigen zu essen, aber als ich mich dem Tisch näherte, setzte mein Herzschlag aus und mein Gesichtsausdruck muss das gezeigt haben: Da stand Schweineschmalz auf dem Tisch! Ich hatte nie in meinem Leben Schweineschmalz gegessen, weder damals noch heute. Meine Glaubensgeschwister sahen meine Reaktion und sagten sofort: „Oh Zinaida, komm mal her! Du hast da etwas in deinem Kopftuch, lass uns mal dabei schauen!“ Nachdem sie mein Kopftuch „in Ordnung“ gebracht hatten und ich zum Tisch zurückging, konnte ich Fisch anstelle von Schweineschmalz sehen.

An jenem Tag lehnten es alle Gläubigen ab, Schweineschmalz zu essen – meinetwegen, der einzigen Jüdin unter ihnen!

Was ist mit Ihren Kindern sind sie zum Glauben an Jesus gekommen?

Mein Sohn ist gläubig. Eine meiner Töchter ist es auch, die andere nicht. Ich bete noch für sie. Meine Enkelin ist auch gläubig. Mein Sohn und meine Enkelin sind freiwillige Mitarbeiter bei Juden für Jesus.

Was ist das Wichtigste von dem, was der Herr Sie in Ihrem Leben gelehrt hat?

Er hat mich den Glauben gelehrt, einen lebendigen Glauben an Gott. Er offenbarte sich mir und ich erkannte, dass Er da ist. Ich sagte mir selbst. „Ich habe nichts in diesem Leben. Aber Gott, mein Vater, Er ist reich. Er wird mich segnen!“ Und Er hat mich nie verlassen; Er hat uns geführt bis zu diesem Augenblick.

Nur der Glaube kann einen Menschen retten, nichts anderes. Wir kommen zu Gott nur durch unseren Glauben an Jesus, den Messias.